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Verschärftes Abtreibungsgesetz treibt Polens Frauen auf die Straße

Von Martyna Czarnowska

Politik
Die Proteste gegen die Abtreibungsregeln finden ihre Fortsetzung.
© Agencja Gazeta via Reuters / Slawomir Kaminski

Opposition wirft der Regierung vor, von Fehlern bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie ablenken zu wollen.


Virtueller Protest reicht Polens Frauen nicht aus. Schon vor Monaten blieben die Appelle von Premierminister Mateusz Morawiecki ungehört, wegen der Corona-Pandemie keine Demonstrationen zu veranstalten. Nun bedienten sich wütende Bürgerinnen zwar des Internets, um ihre Empörung über die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes auszudrücken - aber vor allem, um zu Kundgebungen und Aktionen auf der Straße aufzurufen.

Grund für den Protest im Herbst und jetzt ist ein Urteil des Verfassungsgerichts, wonach Schwangerschaftsabbrüche wegen schwerer Fehlbildungen des Fötus gegen das in der Verfassung garantierte Recht auf Leben verstoßen. Gefällt wurde es im Oktober, doch erst am späten Mittwochabend wurde es veröffentlicht und trat damit in Kraft. Zu ersten Kundgebungen kam es schon da, doch waren zahlreiche Proteste für den Donnerstag angesetzt, in größeren und kleineren Städten quer durch Polen. Die Menschen wehren sich gegen das, was Frauenorganisationen Folter, Grausamkeit und einen Verstoß gegen Menschenrechte nennen.

Schon bisher hatte das Land eine der restriktivsten Abtreibungsregelungen in Europa, nun sind die Möglichkeiten noch weiter eingeschränkt. Zugelassen ist ein Schwangerschaftsabbruch nur noch im Fall von Vergewaltigung oder Inzest und bei Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Mutter.

Das sorgt für Unmut nicht nur im In-, sondern auch im Ausland. Tadel kam etwa von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International und von EU-Abgeordneten. Erinnert wurde dabei auch an die umstrittenen Reformen, die die polnische Regierung rund um die nationalkonservative Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit) durchgesetzt hat.

Umbau im Justizwesen

Eine davon brachte einen Umbau im Justizwesen, der auch vor dem Verfassungstribunal nicht Halt machte. Seitdem gibt es Debatten um die Legitimität der Urteile von Gerichten, deren politische Unabhängigkeit von Kritikern angezweifelt wird.

Das fließt auch in den Zwist um die Abtreibungsregeln hinein. Der Verband für Frauenrechte und Familienplanung (Federa) etwa spricht von einem "Pseudourteil" der Verfassungsrichter und ruft zu Klagen vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof auf. Federa vermittelt medizinische und rechtliche Hilfe und unterstützt Frauen bei der Organisation legaler Abtreibungen im benachbarten Ausland, etwa in Deutschland oder Tschechien.

In Polen prangert Federa-Leiterin Krystyna Kacpura an, dass Frauenrechte politischen Zielen geopfert werden. Für die Opposition ist die politische Motivation klar: Der Grund, warum die Regierung ausgerechnet jetzt das Urteil veröffentlichen ließ, sei, dass sie von ihren Fehlern bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie ablenken möchte. Denn auch in Polen, wo ebenfalls strikte Maßnahmen samt Lockdown gelten, bangen etliche Unternehmen um ihre Existenz und häuft sich Kritik am schleppenden Anlaufen der Impfkampagne.

Die Regierung kündigte am Donnerstag aber eine Wiedereröffnung der Einkaufszentren kommende Woche an. Am gleichen Tag warnte sie auch erneut die Frauen, die sich auf Demonstrationen vorbereiteten: Diese würden das Risiko steigender Neuinfektionen mit sich bringen.