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Diplomatie statt Säbelrasseln im Mittelmeer

Von Martyna Czarnowska

Politik

Griechenland und die Türkei führen wieder direkte Gespräche. Dass die Außenminister den Erdgasstreit lösen, ist aber unwahrscheinlich.


Vor dem Gast aus Griechenland war einer aus Libyen zu Besuch. Und das könnte für zusätzlichen heiklen Diskussionsstoff sorgen. Denn als der libysche Premier Abdulhamid Dbaiba am Montag in Ankara empfangen wurde, betonte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Wichtigkeit eines Seeabkommens zwischen den beiden Staaten, dessen Abschluss in Griechenland massiven Ärger ausgelöst hatte. Und die Gelegenheit, dies anzusprechen, hätte der griechische Außenminister Nikos Dendias am heutigen Mittwoch, wenn er zu seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu reist.

Doch selbst wenn die Vereinbarung zur "Sicherheit und militärischen Zusammenarbeit" zwischen der Türkei und Libyen nicht im Vordergrund steht, trifft auch sie einen der wichtigsten Punkte, um den sich die Zwistigkeiten zwischen Ankara und Athen drehen. Es geht um Seegrenzen und Einflussgebiete - und um Ressourcen im Mittelmeer, an deren Ausbeutung alle Seiten interessiert sind.

Der Erdgasstreit zwischen Griechenland und der Türkei, jahrzehntelangen Partnern in der Nato und Rivalen in der Region, schwelt schon seit einiger Zeit. Mit hinein spielt der Konflikt um die geteilte Insel Zypern, vor deren Küste die Gasvorkommen erforscht werden. Im Vorjahr spitzte sich die Auseinandersetzung zu; Kriegsschiffe kreuzten im Mittelmeer, die Griechen klagten über Verletzungen ihres Luftraums durch türkische Kampfjets, die Türken sahen ihre maritimen Hoheitsrechte gefährdet. Die EU drohte mit Sanktionen gegen Ankara.

Die Türkei zeigte sich gesprächsbereit und schränkte ihre Erkundungen im Mittelmeer ein. Griechenland bekundete ebenfalls Offenheit zu Verhandlungen. Es wähnt sich dabei in keiner schwachen Position, weiß es doch auch die USA hinter sich: Präsident Joe Biden sieht die Entwicklungen in der Türkei kritischer als sein Vorgänger Donald Trump.

EU lockt mit Angeboten

Das Interesse der Amerikaner an Stabilität in der Region dürfte ebenfalls dazu beigetragen haben, die Motivation der Europäer für eine Neuannäherung zu steigern. In der Vorwoche reisten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel in die Türkei. Für ein "konstruktives Engagement" bei der Lösungssuche im Erdgasstreit stellt Brüssel Ankara eine Ausweitung der Zollunion sowie Reiseerleichterungen für türkische Bürger in Aussicht. Darüber wollen die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen im Juni beraten.

Jedoch hat umgekehrt auch die Türkei etwas, woran der EU gelegen ist: den Flüchtlingspakt, den die Europäer eingehalten sehen wollen, weil ihnen das Abkommen beim Schutz der EU-Außengrenzen helfen soll. Auch diese Debatte, jene um Rückführungen von Migranten oder illegale Abschiebungen, sorgt für Spannungen zwischen Griechenland und der Türkei.

Doch immerhin führen die beiden Nachbarn wieder direkte Gespräche. Nach einer mehrjährigen Pause wurden diese im Jänner auf Expertenebene wieder aufgenommen. Nun kommen die Außenminister zusammen. Das könnte unter anderem der Vorbereitung eines weiteren Treffens dienen: zwischen dem griechischen Premier Kyriakos Mitsotakis und Präsident Erdogan.