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Geisterstadt Varosha sorgt für Zündstoff im Zypern-Konflikt

Politik

Türkische Pläne zur Öffnung des Sperrgebiets in Nordzypern lösen heftige internationale Kritik aus.


Wie Skelette erheben sich die Bettenburgen über den gelben Sandstrand. Die Fensterscheiben fehlen, Putz und Stein bröckeln von den Fassaden ab. Ehemalige Hotels, längst verlassen und verfallen, ziehen sich entlang der Küste bei Famagusta, im Osten Zyperns. Hinter ihnen sind Villen zu sehen, die dort schon gestanden sind, als Varosha noch nicht Gäste zum Baden, Sonnen, Flanieren und Feiern angezogen hatte. Nur die von Unkraut überwucherten Gebäude zeugen von den vergangenen Zeiten, von 1974 und von davor.

1974 marschierten türkische Truppen in den Norden Zyperns ein, als Reaktion auf einen von der damaligen griechischen Militärjunta gesteuerten Putschversuch. Die Türkei und Griechenland sehen sich als Schutzmacht für die jeweilige Bevölkerungsgruppe an. Kämpfe und Vertreibungen folgten. Griechische Zyprioten flohen in den Süden, türkische in den Norden. Die Insel wurde geteilt und ist es bis heute. Die Türkische Republik Nordzypern, politisch und wirtschaftlich isoliert, wird nur von der Türkei anerkannt, die auch jetzt dort Soldaten stationiert. Das Regelwerk der Europäischen Union, zu der auch Nordzypern gehört, kommt dort nicht zur Anwendung.

1974 wurde rund um Varosha ein Stacheldraht gezogen; der Stadtteil zum militärischen Sperrgebiet erklärt. Kein Zivilist durfte rein, auch nicht die Besitzer der Häuser, meist vertriebene griechische Zyprioten. Aufgeweicht wurde das Verbot erst im Vorjahr, als ein Küstenabschnitt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Schon damals sprachen die Republik Zypern und Griechenland von einer "Provokation" und forderten als EU-Mitglieder eine Reaktion der Union ein. Diese ging über besorgte Stellungnahmen und Mahnungen an Ankara nicht hinaus.

"Illegal und inakzeptabel"

Nun will aber die Türkei weitergehen. Varosha soll noch mehr geöffnet werden und eine "neue Ära" erleben, erklärte Präsident Recep Tayyip Erdogan bei einem Besuch auf der Insel. Sein türkisch-zypriotischer Amtskollege Ersin Tatar, der eine enge Anbindung an die Türkei begrüßt, verfolgt ebenfalls diesen Plan.

International stößt dieser auf heftige Kritik. Die griechisch-zypriotische Regierung sieht ihn als "illegal und inakzeptabel" an. Sie hat sich mit ihrem Protest bereits an die UNO gewandt, die auf der Mittelmeerinsel mit einer Friedensmission das Waffenstillstandsabkommen überwachen. Aus Paris hat Nikosia schon die Zusage erhalten, dass es vor dem UN-Forum unterstützt werde.

Auch Großbritannien, ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats, zeigte sich über das türkische Vorhaben besorgt. Die USA verurteilten die Ankündigung. Die EU nutzte den Anlass, um erneut zu betonen, dass eine Zwei-Staaten-Lösung nicht in Frage komme. Genau diese Variante lanciert aber Präsident Tatar, mit kräftiger Unterstützung aus Ankara. Er wirbt für ein Zwei-Staaten-Konzept, in dem beide Landesteile ihre jeweils eigene Souveränität besitzen und auch international gleichwertig auftreten können. Die Zerrissenheit Zyperns würde dies nur zementieren.

Dies war allerdings schon in den vergangenen Jahrzehnten der Fall. Beide Inselteile haben ihre jeweiligen behördlichen und staatlichen Strukturen, ihre eigenen Bildungs- und Handelssysteme aufgebaut. Ein Zusammenleben kennen die jüngeren Generationen gar nicht mehr. (czar)