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Sanktionsdruck der EU entfaltet Wirkung

Politik

Weitere Länder kappen Migrantenflüge nach Weißrussland. Osteuropäische Staaten warnen vor militärischer Eskalation.


Das Lager ist verwaist. Auf den Videos, die die polnischen Behörden am Montag verbreiteten, ist eine leere Fläche am Waldesrand zu sehen, dort, wo noch vor kurzem hunderte Migranten campiert haben. Die Menschen sind weitergezogen: näher an die Grenze zu Polen, wobei sie anscheinend von weißrussischen Sicherheitskräften eskortiert und angetrieben wurden. Die Migranten versammelten sich vor dem geschlossenen Übergang Kuznica, dicht gedrängt standen sie Hundertschaften von polnischen Soldaten, Polizisten und Grenzschützern gegenüber, die hinter dem Stacheldrahtzaun Stellung bezogen haben.

1.500 Kilometer weiter westlich, in Brüssel, berieten die EU-Außenminister über weitere Sanktionen gegen Minsk. Sie machen das belarussische Regime unter Alexander Lukaschenko für "hybride Attacken" verantwortlich, indem Weißrussland Migranten einfliegen lässt und dann an die EU-Grenze schickt.

Der Konflikt weitet sich schon auf andere Bereiche aus. Da auch Russland darin eine Rolle spielt, warnen nun vor allem die baltischen Staaten vor einer militärischen Eskalation. Der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis sieht den russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Migrationskrise verwickelt. Es sei auch nicht auszuschließen, dass Moskau die Tatsache, dass die internationale Aufmerksamkeit auf Weißrussland liege, für ein anderes Vorhaben nutze: einen Angriff auf die Ukraine.

Russland will vermitteln

Kiew hat bereits in der Vorwoche hunderte Soldaten an die Grenze zu Weißrussland geschickt. Parallel dazu gibt es Anzeichen für russische Truppenaufmärsche an der ukrainischen Grenze, was die Nato bereits angeprangert hat.

Auch Lettland setzt ein militärisches Signal. An einer - zuvor unangekündigten - Truppenübung nahe der Grenze zu Weißrussland sollen 3.000 Soldaten teilnehmen.

Moskau selbst weist Vorwürfe, es wolle von seinen Plänen in der Ukraine ablenken, zurück - und bietet sich jetzt doch als Vermittler zwischen Minsk und der EU an. Noch in der Vorwoche hat Präsident Putin eine entsprechende Bitte der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel abgelehnt, doch am Montag hieß es, der Kreml sei bereit, seinen Einfluss auf Machthaber Lukaschenko geltend zu machen.

Weißrusslands mächtiger Verbündeter hatte die Situation an der Grenze zu Polen zunächst für Häme gegen den Westen genutzt: Die EU sei selbst für die Migrationskrise verantwortlich. Doch vor wenigen Tagen wies der Kreml Minsk in die Schranken: Als Lukaschenko mit einem Gaslieferstopp Richtung Europa drohte, erklärte Moskau, dass dies nicht "konsultiert" gewesen sei.

Während also die russische Unterstützung für das weißrussische Regime wohlkalkuliert ist, bröckelt auch noch das Geschäftsmodell des Migrantentransports. Denn nicht nur das türkische Unternehmen Turkish Airlines hat die Flüge nach Minsk für syrische, irakische und jemenitische Staatsbürger gekappt. Istanbul war ein Drehkreuz für die Weiterreise der Menschen, nachdem etwa schon im Sommer der Flugverkehr zwischen Bagdad und Minsk eingestellt worden war.

Irak beginnt mit Rückführungen

Andere Länder zogen am Montag nach. Auf "Ersuchen" der Vereinigten Arabischen Emirate hat die weißrussische Gesellschaft Belavia ein Flugverbot für Syrer, Iraker, Afghanen und Jemeniten auf der Route von Dubai nach Minsk verhängt. Die private syrische Airline Cham Wings kappte ihre Flüge nach Weißrussland ebenfalls.

Die irakische Regierung bietet ihren Bürgern mittlerweile Rückführungen an - auf "freiwilliger Basis", wie das Außenamt in Bagdad mitteilte. Ein erster Flug sei für Donnerstag geplant.

Prompt behauptete dann auch Lukaschenko, dass sich sein Land um eine Rückführung der Menschen in deren Heimat bemühe. Es werde aktiv daran gearbeitet, erklärte er laut der staatlichen Nachrichtenagentur Belta. Jedoch: "Niemand will zurückkehren."

Dennoch haben die Sanktionsdrohungen der EU Wirkung entfaltet, wovon etwa die Flugverbote zeugen. Die Außenminister leiteten nun eine weitere Runde ein, die Strafmaßnahmen gegen Personen und Organisationen ermöglicht, die zum illegalen Überqueren von EU-Außengrenzen beitragen. Das können sowohl Fluggesellschaften als auch sogenannte Reisebüros sein, die sich tatsächlich am Schleusen von Menschen beteiligen. Der staatlichen Airline Belavia hat die EU bereits Landerechte entzogen. Weitere Details müssen noch ausgearbeitet werden. (czar)