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"Man bereitet sich auf den Atomkrieg vor"

Von Gerhard Lechner

Politik

Die Atomwaffenmächte unterzeichneten eine Erklärung, die eine Welt ohne nukleare Rüstung zum Ziel hat. Ihre Politik sieht anders aus.


New York/Moskau/Paris. Es ist eine Erklärung, die inmitten der gegenwärtigen weltpolitischen Spannungen überraschend wirkt: Während die führenden Nuklearmächte ihre Atomwaffenarsenale modernisieren, während sie sich im konventionellen Bereich in einem neuen Rüstungswettlauf befinden, gaben die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (UNO) am Montag eine gemeinsame Erklärung ab, die die weitere Verbreitung von Atomwaffen verhindern soll. "Wir betonen, dass ein Atomkrieg nicht gewonnen werden kann und niemals geführt werden darf", heißt es in dem von Frankreich, den USA, Großbritannien, China und Russland unterzeichneten Papier. Atomwaffen dürften nur dem Ziel der Verteidigung, der Abschreckung und der Vermeidung von Kriegen dienen. International wolle man mit allen Staaten zusammenarbeiten, um eine Welt ohne Atomwaffen zu erreichen.

Wie realistisch dieses Fernziel angesichts der gegenwärtigen weltpolitischen Konflikte ist, ist freilich mehr als fraglich. Zudem ist das Wissen, wie man eine Atombombe baut, in der Welt - eine atomwaffenfreie Welt scheint da nur wenig realistisch. Außerdem sind gut klingenden Erklärungen bisher kaum konkrete Taten gefolgt. Solche forderte Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg am Dienstag ein. Man brauche endlich "konkrete Fortschritte zur nuklearen Abrüstung entsprechend der Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag (NPT)". Die Entwicklung gehe aber, so Schallenberg, "leider in die falsche Richtung".

Ähnlich sieht das der Politologe Heinz Gärtner. Zwar begrüßt er die Erklärung, deren Zustandekommen inmitten der gegenwärtigen Konflikte ein gutes Zeichen sei. Konkrete Folgen habe das gut klingende Papier aber keine. "Die Nuklearwaffenmächte wollen mit der Erklärung offenbar die Kritik abfangen, dass sie den Artikel sechs des NPT nicht erfüllen", sagt der Experte für Rüstungskontrolle zur "Wiener Zeitung".

Kleiner und präziser

Dieser Artikel des 1970 in Kraft getretenen Atomwaffensperrvertrags besagt, dass die Unterzeichnerstaaten in breitem Umfang nuklear abrüsten sollen. Das ist bisher nicht geschehen, auch wenn die Zahl der Sprengköpfe zumindest bei den Atom-Großmächten USA und Russland seit dem Ende des Kalten Krieges zurückgegangen ist und trotz der aktuellen Spannungen nicht wächst. "Dafür werden die Sprengköpfe immer zielgenauer", analysiert Gärtner. Und auch kleiner: So betont etwa die aktuelle US-Nuklearstrategie, dass Atomwaffen kleiner werden müssen, damit sie besser einsetzbar sind und eine größere Abschreckungswirkung haben.

"Mit diesen Mini-Nukes, die immer noch die Stärke der Bombe von Hiroshima haben, werden die Atomwaffen aber wieder zu Waffen der Kriegsführung", warnt Gärtner. Die aktuelle Erklärung stehe damit "in völligem Widerspruch zur Politik, die gemacht wird. In der Praxis senkt man die Schwelle für den Atomkrieg. Man bereitet sich darauf vor."

Dass weiterhin eher Rüstung als Abrüstung im Zentrum steht, zeigt sich auch daran, dass China am Dienstag - einen Tag nach der Verabschiedung der Erklärung - angekündigt hat, sein Atomwaffenarsenal zu modernisieren. China hinkt bei der Zahl der Nuklearwaffen Russland und den USA immer noch weit hinterher.