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Ende einer Achterbahnfahrt?

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Tories entscheiden kommende Woche über Schicksal des britischen Premiers.


Mit einer atemberaubenden Achterbahnfahrt ist Boris Johnsons Kampf um Verbleib im Amt in den letzten zwölf Tagen verglichen worden. Immer wieder ging es scharf bergab - als neue Enthüllungen über Lockdown-Parties bekannt wurden, der Premier sich bei der Queen entschuldigen musste und ihm sein alter Kampfgefährte David Davis im Unterhaus zurief: "Im Namen Gottes, gehen Sie!"

Dann wieder schien es besser zu laufen. Bevor man über den Regierungschef den Stab breche, müsse man erst einmal den Untersuchungsbericht der Staatsbeamtin Sue Gray zu den Lockdown-Partys abwarten, fanden die meisten Mitglieder der Fraktion. Der Bericht soll nächste Woche vorliegen. Und dann müssen sich die Konservativen entscheiden, ob sie ihren Parteichef stürzen wollen. Sollten mindestens 54 der 359 Tory-Abgeordneten eine Vertrauensabstimmung verlangen, müsste eine solche unmittelbar stattfinden. Bei dieser Abstimmung bräuchte Johnson die Hälfte aller Stimmen, also die Stimmen von 180 Fraktionsmitgliedern, um sich im Amt zu halten.

Chaotischer Streit

Bisher weiß niemand, ob ihm das gelingen würde. Noch tobt um den Ausgang dieses Machtkampfs ein ebenso erbitterter wie chaotischer Streit. Unterschiedliche Gruppen in der Fraktion sind an diesem Streit, teils mit offenen Stellungnahmen, teils mit stillen Komplotten, beteiligt.

Für Johnsons Ablösung plädieren zum Beispiel prominente Brexit-Hardliner wie David Davis, für die Johnsons Nützlichkeit zu einem Ende gekommen ist. Sie werfen ihm vor, seit dem Ausstieg aus der EU nicht genug für die "Entfesselung der Kräfte des freien Marktes" getan zu haben, die er versprochen hat. Vor allem die beiden letzten Covid-Jahre haben bei Repräsentanten der Parteirechten das Gefühl aufkommen lassen, dass Johnson "zu viel Staat" zugelassen habe, statt Steuern zu senken. Lockdown-Gegner fürchten, dass der Premier bei einem neuen Anstieg der Infektionszahlen wiederum "Bürgerrechte einschränken" würde, wiewohl er neuerdings beteuert, dass die Nation "mit Covid leben lernt". Wehrhafte "Kulturkrieger", die die BBC ebenso wie Migranten, Black-Lives-Matter-Demonstranten und "grüne Fanatiker" hassen, sehen in Johnson immer noch einen Liberalen, der sich nicht genug für ihre Anliegen einsetzt.

Wie hoch die Zahl der "Rebellen" insgesamt ist, lässt sich schwer abschätzen. Garantiert wäre eine Mehrheit gegen Johnson nicht unbedingt. Denn eine nicht geringe Zahl an Abgeordneten geht davon aus, dass sie ihren Sitz vor allem Johnsons Wahlkampf-Qualitäten verdankt.