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"Kronverächter" haben gelernt zu warten

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Während das Vereinigte Königreich zum Feiern rüstet, warten die Anti-Monarchisten zuversichtlich auf ihre Stunde.


Es braucht Mut, gegen die Flut der just einsetzenden Feierlaune zu schwimmen in Großbritannien. Britischen Republikanern wird geraten, ihre königstreuen Landsleute während des "Platinum Jubilees" nicht ungebührlich zu stören. So populär ist die 96-jährige Queen, so viele Britinnen und Briten haben sich zu Straßenfesten angesagt oder werden gut gelaunt daheim vor dem Fernseher sitzen, dass Forderungen nach dem Ende der Monarchie bestenfalls Unverständnis auslösen und schlimmstenfalls gehässige Reaktionen nach sich ziehen.

"Kronverächter" und "Spielverderber" werden nicht gebraucht bei einer der größten Festivitäten der gesamten britischen Nachkriegszeit. Entsprechend halten sich die Anti-Monarchisten zurück. Sie haben gelernt zu warten. Für sie kommt die große Stunde, wenn der Thron neu besetzt werden muss. Letztlich betrachten sie die Jubiläumsfeiern als grandiosen Schlusspunkt nicht nur der elisabethanischen Ära, sondern - so hoffen sie - der ganzen Institution.

Für Graham Smith, den Vorsitzenden des Verbandes "Republic", ist "für die meisten Leute die Monarchie die Queen und die Queen die Monarchie". Aber Ihre Majestät sei in letzter Zeit "schon immer mehr aus dem Blick verschwunden".

Unruhige Zeiten stehen bevor

Recht hat Smith wohl damit, dass nach Elizabeth II. für die Royals unruhigere Zeiten zu erwarten sind. Auf König Charles III. freut sich nicht jeder Anhänger der Monarchie. Smith, als prominentester Sprecher der Republikaner, verweist unterdessen auf einen bemerkenswerten Stimmungswandel, der sich schon jetzt im Lande beobachten lässt. Unterschiedlichen Meinungsumfragen zufolge gibt nämlich bereits jeder Vierte auf der Insel an, nach dem Tod der Königin lieber in einer Republik als in einem Königreich leben zu wollen.

Lange Zeit war der Anteil dieser "Widerborstigen" gerade mal halb so hoch. Noch höher liegt der Anteil der Anti-Monarchisten unter jüngeren Leuten in Großbritannien. Nur noch rund 40 Prozent der 18- bis 24-Jährigen geben an, sie wollten gern an der Monarchie festhalten. Praktisch ebenso viele wollen Veränderung. Für sie ist nach dem Ableben der Queen definitiv die Zeit gekommen für einen Abschied von der Krone. Der Rest weiß nicht, wie er sich entscheiden soll.

Bei den ethnischen Minderheiten liegt der Anteil loyaler Monarchisten sogar noch eine Spur niedriger, gerade noch etwas über einem Drittel. Einige der Befragten beanstanden eine "mangelnde Inklusivität" der Krone - dass es den Windsors zum Beispiel nicht gelungen ist, Meghan Markle "bei der Stange" zu halten und sich ein globaleres Image zu geben, als dazu Gelegenheit war.

Auch anderswo tun sich Klüfte auf, beginnen sich Gesinnungen zu wandeln. In der Gesamtbevölkerung Schottlands zum Beispiel hängen heute nur noch 47 Prozent der Bevölkerung am Königtum, wesentlich weniger als in Wales oder in England. Bereits 35 Prozent der Schotten fänden sich mit einem gewählten Staatsoberhaupt besser bedient. Dabei hat die in Schottland regierende Schottische Nationalpartei (SNP), die nach nationaler Unabhängigkeit strebt, die Beibehaltung der Monarchie versprochen, um keine traditionalistischen Wähler zu verprellen. Auch die Labour Party, die eigentlich für egalitäre Prinzipien eintritt und nicht viel hält vom Erbadel, wagt aus wahltaktischen Gründen nicht, die Hand an die Krone zu legen.

Nur Grüne sind offen republikanisch

Letztlich ist nur die kleine Partei der britischen Grünen offen republikanisch - auch wenn sie das nicht allzu laut ausposaunt. Dennoch sind die 100.000 Britinnen und Briten, die sich der Organisation "Republic" verbunden haben, optimistisch.

"Wenn ein Wandel kommt, kommt er manchmal ganz schnell", tröstet sich Graham Smith. Für ihn ist die Chance, dass Prinz Williams Sohn George einmal König wird, "verschwindend gering". Fürs Erste weiß aber auch Smith, dass in England zwei Drittel der Bevölkerung den Festivitäten zum "Platinum Jubilee" erwartungsvoll entgegensehen - und Millionen sich an örtlichen Straßenfesten und anderen Parties zu Ehren der Queen beteiligen wollen. In Schottland hingegen ist nicht mal mehr jeder Zweite interessiert an den kommenden Feiern. Beziehungsweise daran, ob es der kleine George einmal zum König schafft.