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Rajoys Volkspartei vor Wahltriumph

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Die schwere Wirtschaftskrise wird zu einem Machtwechsel in Madrid führen.


Madrid. Wenn die spanischen Wählerumfragen nicht völlig daneben liegen, erleben die spanischen Sozialisten (PSOE) bei den Parlamentswahlen am Sonntag ihren größten Absturz seit 1978 und der konservativen Volkspartei (PP) wird eine deutliche absolute Mehrheit vorausgesagt, die über dem Ergebnis liegt, das Jose Maria Aznar bei den Wahlen im Jahr 2000 erreichte.

Eine von der den Sozialisten nahestehenden Zeitung "El Pais" am letzten Wochenende veröffentlichte Prognose sieht für die PP einen Stimmenanteil von 45,4 Prozent voraus und einen Mandatsstand zwischen 192 und 196 von 350 zu vergebenden Sitzen. Bei den letzten Wahlen im März 2008 entfielen auf die PP 39,9 Prozent der Stimmen und 154 Mandate.

Die PSOE kommt in dieser Umfrage nur noch auf 30,9 Prozent und damit auf 110 bis 113 Sitze. 2008 erreichte sie 43,9 Prozent und stellte damit 169 Abgeordnete in der Cortes.

Neben der Volkspartei werden vor allem die Vereinigte Linke (IU) und die bürgerlichen katalanischen Nationalisten (CiU) an Stimmen und Mandaten zulegen können. Laut Prognosen kann die landesweit antretende IU ihren Stimmenanteil von 3,8 Prozent im Jahr 2008 auf 8,8 Prozent steigern und wird zu ihren bisherigen zwei Sitzen neun dazugewinnen. Die CiU, die nur in Katalonien kandidiert, dürfte von 3,0 auf 3,3 Prozent schwach zulegen, aber ihre Mandatszahl von 10 auf 14 steigern.

Separatisten tretenim Baskenland an

Mit großer Spannung wird das Abschneiden der linksnationalistischen baskischen Separatisten erwartet, die als Parteibündnis unter dem Namen Amaiur antreten. Mit einem prognostizierten Stimmenanteil von bloß 0,6 Prozent könnten sie auf vier bis fünf Sitze kommen - drei bis vier im Baskenland und einen in der Region Navarra.

Die kommenden Wahlen werden die ersten sein, die ohne die Gewaltdrohung der baskischen Terrororganisation ETA stattfinden. Die ETA hat Mitte Oktober das Ende ihres bewaffneten Kampfes angekündigt. Von politischen Beobachtern wurde das als Versuch gedeutet, die erwartete absolute Mehrheit der PP zu erschweren, da von einem Premierminister Rajoy eine wesentlich härtere Gangart gegenüber den baskischen Separatisten zu erwarten ist als von den Sozialisten.

Debakel für PSOE in Hochburgen prognostiziert

Der Absturz der regierenden Sozialisten drückt sich besonders deutlich in den zu erwartenden Wahlergebnissen in jenen Regionen aus, die bisher als ihre Hochburgen galten. Demnach wird die PSOE in Andalusien, wo im kommenden Jahr auch Regionalwahlen stattfinden werden, ihren Spitzenplatz an die PP verlieren und nur noch 23 bis 25 ihrer bisher 36 Parlamentssitze retten können. Der PP wird hingegen ein Mandatsstand von 33 bis 35 vorausgesagt, acht bis zehn Sitze mehr als bisher.

In Katalonien dürfte die PSC, die katalanische Sozialistische Partei, von 25 auf 15 Mandate zurückfallen und nur noch ganz knapp vor den bürgerlichen Nationalisten der CiU liegen, denen ein Zuwachs von 10 auf 14 Sitze prognostiziert wird und der PP, die von 8 auf 13 Mandate zulegen könnte.

Das gleiche Patt-Szenario zeichnet sich im Baskenland ab. Dort hatten die Sozialisten bisher neun Sitze, die bürgerlich baskische Nationalistenpartei PNV sechs und die PP drei. Die Umfragen sagen je fünf Mandate für Sozialisten und PNV, vier bis fünf für die Konservativen und drei bis vier für das linke Separatistenbündnis Amaiur voraus.

Die Sozialisten setzten ihn letzten Anstrengungen auf eine Mobilisierung der Wähler, da sich eine niedrige Wahlbeteiligung abzeichnet, die in Spanien traditionell zulasten der PSOE geht und der PP nützt. Nur 65 Prozent der Wahlberechtigten wollen demnach am Sonntag abstimmen. Und nach jüngsten Erhebungen gibt es noch immer 21 Prozent Unentschlossene, von denen aber 57 Prozent wählen wollen.

Rubalcaba setzt im Wahlfinale auf Angst

Angesichts der ruinösen Wahlprognosen hat der sozialistische Spitzenkandidat Alfredo Perez Rubalcaba in den letzten Tagen vor dem Urnengang noch zahlreiche zusätzliche Wahlkampfauftritte angesetzt, in denen er vor der Sparpolitik warnte, die von einer konservativen Regierung zu erwarten ist. Obwohl Rubalcaba vor einem halben Jahr, als feststand, dass er die Partei in die nächsten Wahlen führen werde, in einer Grundsatzrede betont hatte, dass die PSOE nicht nur mit Angst über die PP siegen könne, sondern ein Projekt für die Zukunft brauche, setzte er im Wahlkampffinale doch auf die Ängste vor den kommenden Maßnahmen einer wirtschaftspolitisch neoliberal orientierten PP-Regierung, die mit einer bequemen absoluten Mehrheit ausgestattet ist.

PP-Chef Mariano Rajoy, für den seit Monaten in den Umfragen ein klarer Sieg vorausgesagt wird, hat sich im Wahlkampf weitgehend bedeckt gehalten und umstrittene Themen wie Homosexuellenehe, die seine Partei beim Verfassungsgerichtshof angefochten hat, und Abtreibung weitgehend vermeiden. Auch in einem am Donnerstag in der Zeitung "El Pais" erschienenen fünfseitigen Interview äußerte er sich zu diesen Fragen sehr zurückhaltend und ausweichend.

Rajoy kündigt umfassendes Sparprogramm an

Immerhin kündigte er aber in diesem Interview ein umfassendes Sparprogramm an: "Wir werden alle Bereiche des Staatshaushaltes überprüfen und es wird überall Kürzungen geben. Es wird weniger staatliche Bauvorhaben gaben, zahlreiche regionale Behörden werden geschlossen werden", sagte Rajoy. Ausgenommen von den Einsparungen sollen nur die Pensionen sein. In der TV-Debatte mit Rubalcaba hatte Rajoy auch noch die Bereiche Bildung, Gesundheit und Arbeitslosenversicherung von Kürzungen ausgeschlossen.

Rajoy betont in dem Interview, dass eine Regierung unter seiner Führung Spaniens Verpflichtung gegenüber der EU, das Defizit bei 4,4 Prozent zu halten, erfüllen wolle. Das solle alle Welt wissen. Rajoy hielt sich aber bei der Frage, wer in einem Kabinett unter seiner Führung Wirtschaftsminister werden soll, bedeckt. Er wisse zwar, wer Wirtschaftsministerwerden soll, werde es aber nicht sagen, bevor er von den Spaniern das Vertrauen erhalten habe, zu regieren.