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Bankenpleiten in geordneten Bahnen

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik
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Von der Bankenkrise ist etwa Spanien, im Bild die Zentrale der Bankia, stark betroffen. In Zukunft kann der ESM direkt helfen.
© reu

Unternehmen sollen sich künftig an ihrer Rettung selbst beteiligen.


Brüssel/Luxemburg. Es ist ein langwieriges Bauvorhaben, das sich die EU-Politiker zum Ziel gesetzt haben. Steinchen für Steinchen tragen sie nun zusammen, was später einmal die Bankenunion ergeben soll. Eine gemeinsame Aufsicht für die Geldhäuser, strengere Kapitalanforderungen, Regeln zum Schließen oder zur Sanierung pleitebedrohter Unternehmen - all das soll dazu beitragen, künftige Bankenkrisen zu vermeiden. Nachdem sich die Finanzminister der Eurozone bei einem Treffen in Luxemburg auf eine neue Hilfsmaßnahme für marode Finanzinstitute geeinigt hatten, rangen sie im größeren Kreis aller EU-Amtskollegen bis in die Nacht zum Samstag hinein um die künftigen Vorschriften zur Abwicklung von Banken.

Dieses Gesetzespaket soll den nationalen Behörden die Instrumente zur Verfügung stellen, mit denen sie Geldhäuser zerschlagen und kurieren oder schließen können. In den vergangenen Jahren haben die Aufseher nämlich meist davon abgesehen, Großbanken in Konkurs gehen zu lassen - aus Furcht, das gesamte Finanzsystem könnte kollabieren. So wurden die Unternehmen mit Geld von Steuerzahlern aufgefangen.

Tausend Milliarden Euro in Europas "bad banks"

Und die Kosten könnten weiter wachsen. Denn um ihre Bilanzen besser aussehen zu lassen, haben Institute Schrottpapiere in sogenannte "bad banks" ausgelagert. Diese sitzen nun auf zweifelhaften oder illiquiden Vermögenswerten in Höhe von mehr als tausend Milliarden Euro, wie die französische Zeitung "Les Echos" herausgefunden hat. Das ist ungefähr die gleiche Summe, die 28 EU-Staaten als gemeinsame Ausgaben für die gesamte Union in den kommenden sieben Jahren vorsehen.

Allein die "bad bank" des belgisch-französischen Hauses hatte noch vor kurzem giftige Papiere im Wert von 266 Milliarden Euro. Um dies abzubauen, bräuchte es 63 Jahre, rechnet "Les Echos" vor. Hinzu kommen auch noch die faulen Kredite, die in den Büchern der Banken verlieben sind. Ihr Volumen nur in der Eurozone wird auf 720 Milliarden Euro geschätzt.

Solche Situationen sollen wenigstens in der Zukunft vermieden werden, finden die Finanzminister. Dazu sollen die Banken selbst einen Beitrag leisten, und schon im Vorhinein festlegen, welchen: Sie sollen einen Abwicklungsplan vorlegen, in dem enthalten ist, wie viel Mittel sie im Fall einer Schließung aufzubringen haben.

Einig sind die EU-Staaten jedenfalls, dass künftig bei einer drohenden Pleite neben den Aktionären Inhaber von Bankanleihen und in späterer Folge auch Kunden mit Einlagen in einer Höhe von mehr als 100.000 Euro einen Teil ihres Vermögens verlieren sollen. Allerdings gehen die Meinungen noch auseinander, wie viel nationalen Spielraum es geben soll, um bestimmte Anleihen oder Einlagen doch zu schützen.

Offen sind auch noch die Details der wesentlichen Elemente der Abwicklung, die sich zu einem Dreieck fügen: Wenn an dessen einer Seite Änderungen vorgenommen werden, muss dies auch für die anderen Teile gelten. Der eine Bestandteil betrifft das sogenannte Bail-in selbst, das die Beteiligung von Privaten und Anlegern regelt. Der andere dreht sich um den Anteil jener Instrumente - ob Aktien oder Konten -, die beim Bail-in berücksichtigt werden müssen. Es geht also darum, was die Banken als Puffer zurücklegen müssen. Je geringer dieser ist, umso mehr Geld müsste für den Abwicklungsfonds bereitgestellt werden, den es ebenfalls zu schaffen gilt. Wie viel in diesen Topf einfließen soll, ist aber der dritte zu klärende Punkt.

Auch müssten die Länder Behörden zur Abwicklung einrichten. In Österreich könnte diese Aufgabe die Österreichische Nationalbank oder die Finanzmarktaufsicht übernehmen, erklärte Staatssekretär Andreas Schieder.

Direkte Kapitalspritzen aus dem Rettungsschirm

Immerhin haben sich die Finanzminister der Eurozone auf einen anderen Baustein der Bankenunion geeinigt. So soll es künftig Kapitalspritzen für marode Geldhäuser direkt aus dem Rettungsschirm ESM geben - ohne den Umweg über den jeweiligen Staatshaushalt. Für diese Hilfen werden 60 Milliarden Euro im ESM reserviert, der insgesamt über Kredithilfen in Höhe von 500 Milliarden Euro verfügt. In Einzelfällen sollen sogar Altschulden daraus beglichen werden - wogegen sich etwa Deutschland gewehrt hatte. Die zunächst fixierte Summe ist aber gering im Vergleich mit den Mitteln, die bisher für Bankenrettungen aufgebracht wurden: Allein Spanien benötigte fast 40 Milliarden Euro.

Zudem ist die Unterstützung an Bedingungen geknüpft: So müssen die Banken systemrelevant und sanierungsfähig sein. Der ESM soll auch erst dann zum Einsatz kommen, wenn der jeweilige Staat die Mittel nicht aufbringen kann, ohne selbst in den Ruin zu stürzen.

Schnelle Reaktion auf Steuerbetrug geplant

(apa) Verständigt haben sich die Finanzminister ebenfalls auf Schritte im Kampf gegen Mehrwertsteuer-Betrug. Dabei soll es einen Schnellreaktionsmechanismus geben. Außerdem sollen die Staaten das Prinzip der umgekehrten Steuerschuld anwenden können. Bei dem Schnellreaktionsmechanismus geht es darum, dass die EU-Kommission innerhalb kurzer Zeit diese von einem EU-Land beantragte Maßnahme unterstützt oder Einwände erhebt, wobei die Bewertungen der anderen Staaten zu berücksichtigen sind. Bei dem Prinzip der umgekehrten Steuerschuld wiederum sind die Bereiche Mobiltelefonie, Gas- und Stromlieferungen, Telekomdienste, Laptops und Computer, Getreide, integrierte Schaltkreise, Spielkonsolen und Rohmetalle betroffen. Die Staaten können dabei die entsprechende Liste erstellen.

Laut Schieder solle das helfen, Millionenbeträge aus dem Umsatzsteuerausgleich zu lukrieren, die vorher hinterzogen wurden. Bei dem Verfahren verschiebt sich die Steuerschuld ans Ende der Lieferkette auf den Leistungsempfänger; die betrugsanfällige Vorsteuererstattung entfällt.