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Zwist um Datentransfer an USA

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

EU-Parlament fordert Aussetzung eines Abkommens über die Weitergabe von Bankinformationen.


Brüssel/Straßburg. Wenn die Amerikaner schon Daten stehlen wollen, sollte es ihnen nicht so leicht gemacht werden. Das zumindest finden etliche EU-Abgeordnete, vor allem des linken politischen Flügels. Deswegen fordern sie die vorübergehende Aussetzung eines EU-Vertrags mit den USA über die Weitergabe von Bankinformationen. Einer entsprechenden Resolution hat eine knappe Mehrheit der Abgeordneten bei ihrer Sitzung in Straßburg zugestimmt.

Das sogenannte Swift-Abkommen regelt die Übermittlung von Bankdaten aus Europa in die USA. Die Behörden dort können auf die Angaben vor allem zum Zweck der Terrorismusbekämpfung zugreifen. Bei Verdacht können die Fahnder Informationen über Überweisungen von Europäern ins Ausland abfragen, um etwa Namen von Auftraggebern sowie Empfängern der Transaktion, die Kontonummern oder Anschriften in Erfahrung zu bringen.

Doch erst vor kurzem wurde bekannt, dass sie sich keineswegs darauf beschränkt haben. Vielmehr soll der US-Geheimdienst NSA den in Belgien stehenden Swift-Server in größerem Ausmaß und systematisch angezapft haben. An dieses Netz sind mehr als 10.000 Finanzinstitute in 212 Ländern angeschlossen, die jeden Tag mehrere Millionen Geschäfte tätigen.

Und dies war nur eine Enthüllung aus einer Reihe von Spionagevorwürfen, der sich die USA stellen mussten und die einen Schatten auf die transatlantischen Beziehungen wirft. Einige EU-Mandatare stellen sogar die Sinnhaftigkeit von Handelsgesprächen in Frage, solange Standards zum Datenschutz nicht berücksichtigt werden.

Deswegen sprachen sie sich auch für den Stopp der Datenweitergabe im Rahmen des Swift-Abkommens aus. Für den innen- und justizpolitischen Sprecher der Grünen im EU-Parlament, Jan Philipp Albrecht, sendet das Abgeordnetenhaus damit eine klare Botschaft: "Genug ist genug." Der neue Spähskandal mache nämlich aus dem Abkommen eine Farce. Der Vertrag solle dazu dienen, Geldtransfers zur Finanzierung des Terrorismus aufzuspüren, und beruhe auf gegenseitigem Vertrauen. "Welchen Sinn hat ein solches Abkommen, wenn der US-Geheimdienst es umgeht?", fragt Albrecht.

Auch der SPÖ-Parlamentarier Josef Weidenholzer weist darauf hin, dass die transatlantische Vereinbarung unter anderen Voraussetzungen geschlossen wurde. Nun aber stünde Wirtschaftsspionage der USA gegenüber Europa im Raum. "Wir wissen nicht, welche Informationen die USA zu Zeiten der Wetten gegen unsere Währung Euro über Geheimdienste erhalten haben", sagt Weidenholzer. Für eine Aufklärung sei daher die Aussetzung des Abkommens wichtig.

Kritik daran kommt aus den Reihen der Konservativen. So findet Hubert Pirker, Sicherheits- und Innensprecher der ÖVP, die Aufkündigung des Vertrags "rein auf Verdacht nicht nur außenpolitisch dumm, sondern auch populistisch". Allerdings fordere die Europäische Volkspartei von den Amerikanern die Offenlegung der Fakten.

Staaten müssen zustimmen

Doch braucht das Parlament für die Aussetzung des Abkommens noch die Unterstützung der EU-Kommission sowie der Mitgliedstaaten. Die Exekutiv-Behörde in Brüssel müsste einen entsprechenden Vorschlag machen, hat aber noch keine Entscheidung getroffen. Innenkommissarin Cecilia Malmström verweist darauf, dass es bisher keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gebe. Doch warte die Kommission noch weitere Erklärungen von US-Seite ab. In der Zwischenzeit bleibe der Vertrag in Kraft.

Um das zu ändern, müsste sich ebenfalls unter den Mitgliedstaaten eine Mehrheit finden. Darüber könnten die Justiz- und Innenminister der EU beispielsweise bei ihrer Sitzung Anfang Dezember beraten.

Das Thema Datenschutz wird aber schon früher für Debatten unter den Ländern sorgen. Denn beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU, das am heutigen Donnerstag beginnt, ist unter anderem eine Diskussion über den digitalen Binnenmarkt geplant. Dabei will die Kommission die Länder auch dazu drängen, die Arbeit an neuen Regeln zum Datenschutz zu beschleunigen.

Die Festsetzung hoher Standards wäre ebenso eine Antwort der Europäer auf das Vorgehen der Amerikaner - auch wenn die Spionagevorwürfe an die USA wohl eher nur am Rande des Gipfeltreffens zur Sprache kommen werden.

Merkel rief Obama an

Für zusätzliche Brisanz des Themas sorgte am Vorabend des Gipfels ein mutmaßlicher Spähangriff auf das Mobiltelefon der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Die deutsche Bundesregierung habe Informationen erhalten, wonach das Handy möglicherweise durch amerikanische Geheimdienste überwacht werde, erklärte Merkels Sprecher Steffen Seibert am Mittwochabend in Berlin. Die Kanzlerin habe deswegen mit US-Präsident Barack Obama telefoniert und um eine sofortige wie umfassende Aufklärung gebeten. "Sie machte deutlich, dass sie solche Praktiken, wenn sich die Hinweise bewahrheiten sollten, unmissverständlich missbilligt und als völlig inakzeptablen gravierenden Vertrauensbruch ansieht", fügte Seibert hinzu. Obama sicherte Merkel nach Angaben seines Sprechers Jay Carney zu, dass die USA ihre Kommunikation nicht überwachten.