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Brüssel will mehr Hürden für kreative Buchführung

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

EU-Staaten entgehen Milliarden Euro an Steuereinnahmen von Konzernen.


Brüssel. Illegal ist es nicht. Es ist eher ein Trick der Buchhaltung, wenn in mehreren Ländern tätige Unternehmen ihre Gewinne dorthin verschieben, wo sie weniger Steuern zahlen. Und einen Teil der Zahlungen können sie sogar völlig umgehen. Den EU-Ländern aber entgehen damit jährlich Einnahmen von etlichen Milliarden Euro. Zuletzt sind deswegen Internet-Konzerne wie Google, Apple oder Amazon verstärkt in die Kritik geraten. Google etwa sorgt in Großbritannien regelmäßig für Empörung, weil es durch die Verlagerung von Gewinnen in Niedrigsteuerländer wie die Bermudas aber auch Irland - wo das US-Unternehmen seinen Europasitz hat - relativ wenig Steuern zahlt.

Geht es nach der EU-Kommission, sollen solche Möglichkeiten schon bald sehr eingeschränkt sein. Vor einem Jahr präsentierte sie ein umfangreiches Paket von Gesetzesvorschlägen zur Bekämpfung von Steuerflucht, nun präzisierte der zuständige Kommissar Algirdas Semeta die Pläne zu neuen Regelungen für Mutter- und Tochter-Unternehmen. Der Geldtransfer zwischen diesen soll künftig stärker kontrolliert werden; reine Briefkastenfirmen sollen dadurch leichter entdeckt werden.

"Wenn unsere Regeln dazu missbraucht werden, dass Unternehmen sehr geringe oder gar keine Steuern mehr zahlen, dann müssen wir sie anpassen", erklärte Semeta. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass Doppelbesteuerung auch in Zukunft zu vermeiden sei. Allerdings soll es nicht mehr möglich sein, dass Firmen für sogenannte Hybridanleihen eine Steuerbefreiung bekommen: Von dieser profitierte die Muttergesellschaft, wenn sie Dividendenzahlungen von ihrer Töchtern aus anderen EU-Staaten erhielt. In manchen Ländern wurde das jedoch als Schuldenrückzahlung eingestuft, was dazu führte, dass der Betrag nirgends besteuert wurde.

Das Schließen solcher Schlupflöcher haben sich nicht nur die EU-Mitglieder zum Ziel gesetzt. Die Bemühungen im Kampf gegen Steuerbetrug sind international; die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) arbeitet an strengeren Vorgaben. So sieht denn auch Kommissar Semeta einen bisher "beispiellosen" Fortschritt in diesem Bereich. Deswegen zeigte er sich zuversichtlich, dass die EU-Staaten den Vorschlägen seiner Behörde folgen werden. Es reiche nämlich nicht aus, guten Willen zu deklarieren, befand Semeta. Die Länder sollten den neuen Regeln auch zustimmen. In dem Fall könnten die Vorgaben ab Ende des kommenden Jahres gelten.

Ob der Entwurf jedoch ohne Widerspruch angenommen wird, ist offen. Denn einige EU-Mitglieder haben sich bisher die unterschiedlichen Regelungen zu Nutzen gemacht. Irland, Luxemburg oder die Niederlande beispielsweise profitierten von ihren niedrigen Steuersätzen, die Unternehmen dazu brachten, sich in diesen Ländern niederzulassen oder Ableger zu gründen.

Daher überlegen manche Staaten bereits, für sich Vorschriften zu erlassen, die multinationalen Konzernen allzu kreative Buchführung erschweren. In Deutschland etwa war davon in den Koalitionsverhandlungen die Rede. Auch in Italien werden Pläne gewälzt, wie Steuervermeidung verringert werden könnte.