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Neue Pflicht zum Sparkurs

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

"Partnerschaftsverträge" sollen Umsetzung der nationalen Reformpläne verbessern.


Brüssel. Ein Pakt für Wachstum und Beschäftigung, das europäische Semester, die Überprüfung der Haushaltspläne der Mitgliedstaaten: In den vergangenen Jahren hat die EU etliche Regeln geschaffen, um die Länder zu mehr Budgetdisziplin anzuhalten. Und das soll nicht alles gewesen sein. Wenn die EU-Staats- und Regierungschefs am heutigen Donnerstag zu einem zweitägigen Treffen in Brüssel zusammenkommen, wollen sie über ein weiteres Instrument zur Stärkung der Wirtschaftspolitik beraten.

"Partnerschaften für Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit" wird es im Entwurf zum Schlussdokument des Gipfels genannt. Es geht dabei um nationale Reformverträge, die einzelne Länder mit der EU-Kommission etwa schließen, was eine europäische Überwachung ermöglicht. Das Wort "Partnerschaft" betone aber gleichzeitig, dass es um die Eigenverantwortung der Mitglieder geht - was manchen Staaten wichtig gewesen sei, erklärte ein EU-Diplomat. Dabei handle es sich nicht um eine völlig neue Maßnahme, sondern solle bereits bestehende Mechanismen zur Haushaltskontrolle stärken. Basis für die Verträge sind nämlich die jeweiligen Reformprogramme, die die Länder im Rahmen des europäischen Semesters der Kommission vorlegen.

Jedoch besteht vor allem Deutschland auf Rechtsverbindlichkeit. Die Empfehlungen, die die Kommission im Frühling den Mitgliedern gibt, sind nämlich lediglich Ratschläge. Doch müssten "notwendige nationale Strukturreformen eingefordert werden können", sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung in Berlin: "Das heißt, wir müssen die bislang weitgehend unverbindliche wirtschaftspolitische Koordinierung der nationalen Politikbereiche deutlich stärken."

Finanzielle Anreize

Allerdings soll dabei nicht nur mit Sanktionen oder der Androhung von Strafmaßnahmen operiert werden. Vielmehr will Deutschland auch Anreize für Reformen schaffen, im Rahmen eines sogenannten Solidaritätsmechanismus. Das könnten laut Gipfelerklärung Darlehen, Zuschüsse oder Garantien sein; die Details dazu könnten im Laufe des kommenden Halbjahres ausgearbeitet werden.

Jetzt schon gibt es aber Einwände gegen die Pläne. So beanstandet das globalisierungskritische Netzwerk Attac, dass selbst Länder mit guter Haushaltslage sich jedes Jahr zu einem "Bündel neoliberaler Reformen" verpflichten müssen, deren Umsetzung streng überwacht werde. Eine "Troika für alle" wäre also das erklärte Ziel, meinte Alexandra Strickner von Attac Österreich. Die Folge wären Einschnitte im Arbeitsmarkt, bei öffentlichen Dienstleistungen, beim Pensionssystem und in der Ausbildung.

Auch die Grünen üben Kritik. Budgetsprecher Bruno Rossmann sieht die Pläne für die Partnerschaftsverträge als "fatalen Schritt zur Verschärfung der Krise". Er forderte Bundeskanzler Werner Faymann auf, stattdessen eine europaweite Initiative zur Senkung der Jugendarbeitslosigkeit zu starten. So könnten die EU-Mitglieder ihre Rüstungs- und Verteidigungsausgaben ab 2015 um zehn Prozent senken und die dadurch gesparten zwanzig Milliarden Euro pro Jahr in Jobprogramme für Jugendliche fließen lassen. Aspekte der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik stehen nämlich ebenfalls auf der Themenliste des Gipfels.

Ringen um Bankenregeln

Aus Sicht Deutschlands sind aber in erster Linie weitere Wirtschaftsreformen nötig. Und dem werden wohl auch die anderen Länder folgen. Denn was Merkel in ihrer Regierungserklärung unterstrich, wollen die Staats- und Regierungschefs ebenfalls einmal mehr feststellen: Die Eurozone und die gesamte EU seien zwar auf einem guten Weg, die Schuldenkrise zu überwinden. Doch müssten zur dauerhaften Stabilisierung der Wirtschafts- und Währungsunion weitere Anstrengungen unternommen werden. Laut Merkel betreffe das sowohl die Wettbewerbsfähigkeit, die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit als auch die Korrektur der "Konstruktionsmängel" in der EU. Damit gemeinte mögliche Vertragsänderungen sollen beim Gipfel aber nicht diskutiert werden.

Vielmehr wird die Debatte um Wirtschafts- und Finanzthemen kreisen, wobei in den letzten Monaten die Arbeiten daran sich vor allem auf die Schaffung einer Bankenunion konzentriert haben. Noch am Vortag des Gipfeltreffens kamen die Finanzminister der Union zu einer Sondersitzung zusammen, und erst in der Nacht auf gestern, Mittwoch, konnten sich die Minister des Euroraumes auf einen Teil des Abwicklungsmechanismus einigen, der künftig bei der Rettung oder Schließung maroder Geldhäuser greifen soll. Und in der Zwischenzeit verständigten sich Unterhändler von Mitgliedstaaten, EU-Parlament und -Kommission auf einheitliche Regeln bei der Absicherung von Sparguthaben im Fall einer Bankenpleite: Das soll für Einlagen bis zu 100.000 Euro gelten.

Die parallel dazu geführten Verhandlungen über einen künftigen gemeinsamen Abwicklungsfonds brachten einen Kompromiss zur Finanzierung des Topfes. Der soll innerhalb von zehn Jahren - ab 2016 - mit rund 55 Milliarden Euro gefüllt werden und die Kosten für die Schließung eines Unternehmens mittragen. Falls in der Übergangszeit die Mittel aus dem Fonds nicht reichen, könnten Regierungen zusätzliches Geld bei den Banken eintreiben. Erst danach würden die Staaten einspringen. Wären sie damit überfordert, könnte der Euro-Rettungsschirm ESM zum Einsatz kommen. Damit wäre eine direkte Bankenhilfe aus dem ESM aber nicht möglich, was einige Länder wie Spanien oder Frankreich gern gehabt hätten. Deutschland hat sich dem immer widersetzt: Nur ein Staat soll einen Hilfsantrag stellen dürfen.

Spott über Spindelegger

Am Rande des Ministertreffens gab es dezenten Spott für den österreichischen Finanzminister Michael Spindelegger. Sein deutscher Amtskollege Wolfgang Schäuble nahm mit Verwunderung wahr, dass sich Spindelegger von einem Beamten vertreten hat lassen. Der Österreicher begründete seine Abwesenheit damit, erst am Montag angelobt worden zu sein. Wie Ö1 berichtete, kommentierte Schäuble: "Da habe ich gedacht, ich bin ja auch gerade erst eingeschworen worden. Aber gut. Das ist ,Tu felix Austria‘."

Österreichs Banken vor Milliardenbelastungen 
(kle/wak) Für Österreichs Banken bedeutet die Einigung, dass systemrelevante Riesen – Erste Group, Bawag PSK, ÖVAG, Raiffeisen Zentralbank, Raiffeisenlandesbank Oberösterreich und Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien – in Zukunft (ab 2016) in den gemeinsamen Abwicklungsfonds in der EU einzahlen sollen. Die Bank Austria ist über ihre italienische Mutter Unicredit an der gemeinschaftlichen Dotierung des Fonds beteiligt.

Etliche EU-Länder haben bereits einen nationalen Bankenabwicklungsfonds, in dem Cash angesammelt und gebunkert wird, für den Fall, dass eine Bank in akute Schieflage gerät. In der Alpenrepublik war das bisher nicht der Fall. Zwar müssen alle größeren heimischen Banken seit zwei Jahren eine Bankenabgabe an die Republik abführen – zunächst waren es 500 Millionen, mittlerweile sind es 650 Millionen Euro pro Jahr. Aber anstatt damit so wie etwa in Deutschland einen Krisenfonds für marode Institute zu füttern, wird die Bankensteuer als Zusatzeinnahme für das Bundesbudget beansprucht. Im Übrigen ist sie von der neuen Regierung erst vor kurzem bis über das Jahr 2017 hinaus verlängert worden.

Im Zuge der Bankenunion wird künftig auch das System der Einlagensicherung reformiert und vereinheitlicht. In jedem Land müssen die Banken eigene Fonds speisen, die Sparer und Einleger im Fall einer Bankenpleite mit jeweils bis zu 100.000 Euro schadlos halten sollen. Für die österreichischen Banken bedeutet dies den Abschied vom bisherigen Einlagensicherungssystem, das vor allem auf gegenseitigen Haftungszusagen beruht (in letzter Konsequenz unter Beteiligung des Staates). Cash zum Schutz der Sparer musste bis dato also noch nie zur Seite gelegt werden. In Zukunft ist das anders, da müssen die heimischen Banken extra Geld in die Hand nehmen, um einen nationalen Einlagensicherungsfonds zu speisen.

Neben der Bankenabgabe und den zusätzlichen Kosten durch das schärfere Kapitalregime Basel III haben Österreichs Banken demnach auch die Kosten für einen Abwicklungs- und einen Einlagensicherungsfonds zu schultern.

Laut einer Studie des Beraters Oliver Wyman fallen für sie damit jährlich 6,7 Milliarden Euro an zusätzlichen Regulierungs- und Kapitalkosten an. Fazit von Wyman: Die Banken können ihre bisherigen Funktionen nur über Preiserhöhungen und Sparprogramme sichern. Oder sie ziehen sich aus bestimmten Geschäftssparten oder Märkten zurück, oder sie stutzen ihren Investoren die Rendite – und das massiv. "Charme hat keine dieser Optionen", heißt es in der Branche. Aber jede Bank sei gezwungen, sich hier ihren eigenen Cocktail zu mixen.