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Hollande in Blairs Fußstapfen?

Von Michael Schmölzer

Politik

Spekulationen über "sozialliberale Wende" nach Neujahrsansprache.


Paris. Rund 600 Journalisten warteten am Dienstag im Élysée-Palast gespannt darauf, ob Frankreichs Präsident François Hollande sein Privatleben kommentieren würde. Die Hoffnung der Voyeure blieb unerfüllt. Das Staatsoberhaupt, dem eine Affäre mit einer 41-jährigen Schauspielerin nachgesagt wird, gab nur eine äußerst dürre Erklärung ab: Jeder sei irgendwann mit privaten Prüfungen konfrontiert, mit schmerzhaften Momenten, so der Präsident. Allerdings: Privat sei privat, er würde jetzt keine Fragen dazu beantworten. Allerdings wolle er den Status der französischen First Lady, Valérie Trierweiler, bis zu seinem geplanten Staatsbesuch in den USA im kommenden Monat geklärt haben. Valérie Trierweiler, die offizielle Partnerin Hollandes, ist in Spitalsbehandlung, seit die Affäre Hollandes öffentlich wurde.

"Verlorenes Jahrzehnt"

Das, was Hollande in seiner rund halbstündigen Neujahrsrede sagte, war von einiger Brisanz. Immerhin skizzierte er den künftig angepeilten wirtschaftspolitischen Kurs der zweitgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone. Hollande sprach zunächst von einem "verlorenen Jahrzehnt" für Frankreich, das Land müsse wieder zu "wirtschaftlicher Stärke" finden.

In der Tat ist die Arbeitslosigkeit massiv gestiegen, auch die Zahl der Firmenpleiten und die Staatsverschuldung stieg. Dem will der Präsident einen "Pakt für Verantwortung" entgegensetzen. Ein Schlagwort, das zumindest seit seiner Weihnachts-Ansprache bekannt ist. Dennoch lassen die neuen Prioritäten aufhorchen: Der Präsident kündigte drastische Ausgabenkürzungen statt Steuererhöhungen an und machte Zugeständnisse an Unternehmen.

Entlastungen für Firmen

"In diesem Jahr werden wir 15 Milliarden Euro einsparen", so Hollande. 2015 bis 2017 kämen weitere 50 Milliarden Euro hinzu. "Das gab es bislang noch nicht." Betroffen seien alle staatlichen Ausgabenbereiche, auch die kommunalen Verwaltungen, die effizienter und enger zusammenarbeiten müssten. Das französische Sozialmodell solle aber beibehalten werden. Gleichzeitig kündigte Hollande an, Unternehmen massiv entlasten zu wollen, um der lahmen Wirtschaft auf die Sprünge zu helfen. Bis 2017 sollen die Unternehmen von bisherigen Sozialabgaben für Familienleistungen befreit werden, was 30 Milliarden Euro an Entlastungen ausmache. Zudem soll der "Pakt der Verantwortung" auch Vereinfachungen bei den Vorschriften und Steuern für Firmen umfassen. Die Gegenleistungen der Unternehmer sollten landesweit und konkret nach Branchen festgeschrieben werden. Dabei nannte der Sozialist neben der Schaffung neuer Arbeitsplätze auch Zusagen für ältere Arbeitnehmer oder für Ausbildung. Als politischer Ziehsohn von Jacques Delors gehört Hollande seit jeher dem liberalen Flügel seiner Partei an, doch aus Angst vor der äußerst kämpferischen Parteilinken und den Gewerkschaften war er bis dato stets gezwungen, verschwommene Kompromisse einzugehen.

Nur Klarstellung?

Wegen des unternehmerfreundlichen Tons und weil Hollande in seiner Rede auch "Exzesse" und "Missbrauch" in den sozialen Sicherungssystemen angeprangert hatte, war anschließend über eine sozialdemokratische oder gar sozialliberale "Wende" des Linkspolitikers spekuliert worden. Als Vorbild wurde unter anderem die Reformpolitik unter dem britischen Ex-Premier Tony Blair oder dem deutschen Ex-Kanzler Gerhard Schröder genannt. Hollandes Berater dementieren. Sie betonten bereits vor der Rede, dass es sich nicht um eine Wende, sondern um eine "Vertiefung, Beschleunigung und Klarstellung" der bisherigen Linie des unpopulären Präsidenten handle.