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"Feuer einstellen"

Von Veronika Eschbacher

Politik

Der neue Präsident der Ukraine will Frieden. | Beobachter zweifeln aber, dass Poroschenko den richtigen Plan dafür hat.


Kiew. "Das ist ein Zeichen", waren sich die beiden Fernseh-Kommentatoren zu Beginn der Inauguration des neuen ukrainischen Präsidenten einig. Wenige Sekunden zuvor war Petro Poroschenko aus dem Auto gestiegen und den roten Teppich entlang geschritten, der zum Eingang des Parlamentsgebäudes in Kiew führt. Und gerade, als er die ersten Stufen zu seiner Angelobung hinaufstieg, passierte es: Einem jungen Soldaten, dem letzten im Spalier, fiel die Waffe genau in dem Moment aus der Hand, als Poroschenko an ihm vorbeilief. "Da sieht man es - wir sind friedliche Menschen, wir wollen nicht Krieg führen", kommentieren die Fernsehkommentatoren das Missgeschick.

Es dauerte freilich nicht lange, bis der Präsident selbst das Thema ansprach. Einer der ersten Sätze der Rede Poroschenkos nach seiner Vereidigung war: "Ich will keinen Krieg, und ich will keine Rache. Ich will Frieden." Deshalb wolle er seine Arbeit mit einem Friedensplan beginnen.

Poroschenko garantierte dann sogleich den Menschen im Osten den freien Gebrauch der russischen Sprache und versprach, die Macht im Lande zu dezentralisieren - zwei Kernforderungen der Aufständischen im Osten. Er kündigte zudem eine Amnestie für alle Kämpfer im Osten an, die ihre Waffen niederlegen, und schlug vor, dass Moskau einen "kontrollierten Korridor" öffne, der es russischen Söldnern, die in der Region Donbass die Kiewer Zentralregierung bekämpfen, ermögliche, heimzukehren. Bisher gab es einen ähnlichen Korridor nur für Lastwagen mit Särgen, in denen getötete Rebellen russischer Herkunft heimgebracht wurden.

Bereits tags darauf kündigte Poroschenko - der zuvor für ein hartes Durchgreifen gegen die "Terroristen", wie die jetzige Führung die Aufständischen nennt, eingetreten war - eine Waffenruhe für die Ostukraine an. "Wir sollten in dieser Woche das Feuer einstellen", sagte Poroschenko laut der Agentur Interfax. "Jeder Tag, an dem Menschen sterben, jeder Tag, an dem die Ukraine solch einen hohen Preis bezahlt, ist unannehmbar", so der Oligarch bei einer Sitzung zur Umsetzung seines Friedensplanes. Russland hatte zuletzt immer wieder mit Nachdruck ein Ende des Militäreinsatzes in der Ostukraine gefordert, damit ein Dialog beginnen könne.

"Beendigung der Kämpfe läuft"

Analysten aber bezweifeln, ob sich Poroschenkos Plan so einfach durchführen wird lassen. Einerseits glauben nur wenige, dass Moskau - immerhin wird der Kreml beschuldigt, die Aufstände im Osten mit anzuheizen - sich nun plötzlich Kiew gegenüber kooperativ zeigen wird. Zudem ist eines der größten Probleme, dass die Rebellen zersplittert und immer wieder in Kämpfe um die Vorherrschaft untereinander verstrickt sind. Wer auf wen hört, bleibt oft ein Rätsel. Aber auch innenpolitisch könnte ein "freundlicherer" Zugang zu den Aufständischen Poroschenko in die Bredouille bringen. Viele Ukrainer fordern eine harte Gangart gegen die Rebellen und werden größere Konzessionen ihnen gegenüber kaum gutheißen.

Poroschenko, der erst am Wochenende in Frankreich erstmals Russlands Präsidenten Wladimir Putin zu einem 15-minütigen Gespräch getroffen hatte, scheint dennoch von seinem Plan überzeugt. Der ukrainische Interims-Verteidigungsminister Michail Kowal erklärte am Montag, dass die "Einstellung der bewaffneten Konfrontation" bereits laufe und "Präsident Poroschenko praktische Maßnahmen treffe, die darauf hoffen lassen, dass die Bewohner des Ostens bald in Frieden leben werden."

Bisher äußerten sich aus den Reihen der Separatistengruppen nur das Bataillon Vostok zu den Vorschlägen. Dort hieß es, man könne sich keinen direkten Dialog mit Kiew vorstellen. Auch von einer Einstellung der Kampfhandlungen gab es wenig Anzeichen. Am Montagnachmittag erklärten etwa Vertreter der selbst ausgerufenen Luhansker Volksrepublik den Flughafen von Luhansk für gesperrt. Es gab weitere Berichte über Kämpfe in Slawjansk und Artjemiwsk. Ob es Poroschenko so leicht gelingen wird, die Separatisten im Osten zu entwaffnen wie den Soldaten vor seiner Angelobung, bleibt abzuwarten.