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Der lange Schatten der Departements

Von WZ-Korrespondentin Birgit Holzer

Politik

Die konservative UMP besetzt alle Themen des rechtsextremen Front National.


Paris. Eigentlich war es lediglich die Zusammensetzung der Departementräte, über die die Franzosen am Sonntag in der ersten Runde abstimmten. Doch die aufgeregten Reaktionen auf die Ergebnisse und die Nervosität vor dem zweiten Wahlgang am nächsten Sonntag enthüllen, dass es sich um weit mehr handelt als um einen unbedeutenden lokalen Urnengang - nämlich bereits um eine Vorentscheidung für die Präsidentschaftswahl in zwei Jahren. Die "Königin der Wahlen", auf die das Land lange im Voraus hinfiebert.

Das erklärt die große Bedeutung dieser Departementswahlen für Nicolas Sarkozy. Dem Ex-Präsidenten geht es darum, sich bis 2017 als unangefochtener Kandidat seiner Partei in Stellung zu bringen. Nach einem missratenen politischen Comeback im Herbst, bei dem er nicht ohne Mühe den Vorsitz seiner konservativen UMP errungen hat, feiert er nun deren Wahlerfolg auch als seinen persönlichen. Der gemäßigte Rechtsruck in Frankreich etabliert ihn an der Parteispitze: Mit den Verbündeten der Zentrumsparteien wurde die UMP mit 29,4 Prozent stärkste politische Kraft vor dem rechtsextremen Front National.

Die Konservativen dürften letztlich eine klare Mehrheit der 101 Departements von der Linken zurückerobern, die seit Jahren auf lokaler und regionaler Ebene dominierte - bis zu dem Moment, als sie auf nationalem Niveau die Macht übernahm. Seitdem wenden sich die Wähler enttäuscht ab und oftmals dem Front National zu. Nur bedingt konnte die UMP bis jetzt von der Unpopularität der Regierung profitieren. Die Frontfrau des FN, Marine Le Pen, bedrängt sie so stark, dass die Abgrenzung zum rechten Rand ihr Hauptthema geworden ist.

Sarkozy als "einziger Damm" gegen den Vormarsch des FN

Dass sich die bürgerliche Rechte nun entgegen allen Vorhersagen so klar vor der extremen positioniert hat, stärkt Sarkozy. Schließlich präsentiert er sich als "einzigen Damm" gegen Le Pens Vormarsch, seit er 2007 die Präsidentschaftswahl mit einer Kampagne rund um die Themen Einwanderung, innere Sicherheit und Kampf gegen Kriminalität gewann. Der Front National schnitt damals schwach ab - anders als 2012, als nicht mehr Parteigründer Jean-Marie Le Pen, sondern seine Tochter Marine antrat. Doch weiterhin setzte Sarkozy auf die umstrittene Strategie, den Front National bei dessen Themen noch zu übertrumpfen. Damit hebt er sich von seinem innerparteilichen Hauptkonkurrenten im Rennen auf die Präsidentschaftskandidatur ab: Ex-Premierminister Alain Juppé ist nicht nur beliebter bei den Franzosen, sondern verfolgt einen gemäßigten Kurs, mit der er die Mitte anspricht, nicht aber den rechten Rand der Partei. Die Gefahr, dass dieser zum Front National abwandert, besteht.

Denn die 25 Prozent, die Le Pens Partei nun erhalten hat, liegen zwar unter den Erwartungen. Durch das Mehrheitswahlrecht dürfte der Front National letztlich nur höchstens zwei Departements gewinnen und bleibt wie in den beiden Parlamentskammern unterrepräsentiert. Trotzdem stellt auch dieses jüngste Wahlergebnis einen Zuwachs für die extreme Rechte dar, die bisher wenig lokal verankert war. Kandidaten fanden sich in fast allen Bezirken, in mehr als der Hälfte haben sich diese für die zweite Runde qualifiziert.

Le Pen ist es gelungen, als dauerhafte dritte Kraft das traditionelle Zwei-Parteien-System Frankreichs zu durchbrechen, bei dem sich früher grundsätzlich linkes und rechtes Lager gegenüberstanden. Sie wurde auch stark als Vertreterin der Verdrossenen - von Sarkozy wie auch von François Hollande. Drei Jahre nach seinem Amtsantritt hat er enttäuscht mit seinem unentschlossenen Handeln und fehlenden Rezepten gegen die wirtschaftliche, aber auch moralische Krise im Land, die längst nicht beendet scheint. Die Niederlage seiner Sozialisten bei den Wahlen ist deshalb auch seine: Mit 22 Prozent fällt das Ergebnis zwar weniger katastrophal aus als erwartet. Dennoch werden sie am Sonntag wohl mindestens 20 der 61 Departements verlieren, die sie bisher kontrollierten; in 500 Bezirken haben sich die sozialistischen Kandidaten nicht einmal weiter qualifiziert. Werden alle linken und grünen Gruppierungen zusammengezählt, erreichen sie zwar 36,2 Prozent und damit fast so viel wie alle Parteien des bürgerlich-rechten Lagers. Doch die französische Linke ist so zerstritten und zersplittert, dass ein geeintes Auftreten und damit ein Sieg 2017 derzeit außer Sichtweite scheint. Das lässt die bürgerliche Rechte frohlocken und mit ihr Sarkozy - auch wenn der Weg für ihn noch weit ist.