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Ein Bollwerk des Meisters

Von Ronald Schönhuber

Politik

Fast 65 Prozent der Austrotürken stimmten für die AKP von Präsident Erdogan.


Wien. Dass die Türkei für die AKP nicht an den physischen Grenzen des Landes endet, konnte man im vergangenen Sommer auch in Wien beobachten. Damals gastierte Recep Tayyip Erdogan - zu diesem Zeitpunkt noch Premier und noch nicht Präsident der Türkei - in der mit 7000 Menschen gefüllten Albert-Schulz-Halle. Enttäuscht wurden diejenigen, die gekommen waren, um den "Meister" zu sehen, nicht. Erdogan pries den wirtschaftlichen Aufschwung, den die Türkei seit der Machtübernahme seiner AKP im Jahr 2002 erlebt hat, und appellierte an den Patriotismus der Austrotürken. "Ihr könnt stolz auf diese Türkei sein", rief er damals seinen jubelnden Anhängern entgegen.

Die Strategie, massiv um die Stimmen der Auslandstürken zu werben, hat sich für die AKP jedenfalls bezahlt gemacht. Als Erdogan 2014 zum Präsidenten gewählt wurde, entfiel der Großteil der in Österreich abgegebenen Stimmen auf ihn. Und auch bei den am Sonntag abgehaltenen Parlamentswahlen stimmten die Austrotürken mit 64,7 Prozent für die AKP. Damit konnte die Partei in Österreich ein Ergebnis einfahren, das deutlich besser war als in der Türkei, wo die AKP die absolute Mehrheit einbüßte und nur auf 40,9 Prozent kam.

Teils deutlich schlechter schnitten dagegen die säkulare CHP und die nationalistische MHP ab. Sie lagen mit 10,5 und 7,6 Prozent in Österreich um 15 beziehungsweise 9 Prozent unter dem Ergebnis in der Türkei. Dass die Austrotürken Erdogan und der AKP nach wie vor die Stange halten und damit massiv gegen den Trend stimmten, hat nach Ansicht des Türkei-Experten Cengiz Günay mehrere Ursachen. "Die AKP war jene Partei, die sich in der Politgeschichte des Landes am meisten um die türkischen Staatsbürger im Ausland gekümmert hat", sagt der am Österreichischen Institut für Internationale Politik forschende Politologe. "Und die AKP ist noch immer in der anatolischen Provinz stark, also jenen Gegenden, aus denen die meisten Migranten stammen." Starken Zuspruch erhielt die AKP hier einerseits wegen ihres religiös-konservativen Kurses, andererseits wegen des deutlich spürbaren Aufschwungs in der Region. "Auch für die in Österreich lebenden Türken sind die massiven Investitionen in die Infrastruktur und der Fortschritt sichtbar, wenn sie etwa im Sommer in die Türkei fahren", sagt Günay. "Und das ist natürlich auch ein Grund, beeindruckt zu sein." Fast noch wirkmächtiger könnte Günay zufolge aber Erdogans lautstarkes Auftreten als Fürsprecher der Auslandstürken sein. Viele Türken, die sich aufgrund des negativen politischen Diskurses in Österreich an den Rand gedrängt sehen, hätte Erdogans Dagegenhalten offensichtlich honoriert.