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Unbekanntes Terrain

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Die Eurozone sucht nach Wegen, Griechenland in der Gemeinschaft zu halten.


Brüssel. Die ersten Reaktionen fielen knapp aus. Den Ausgang des griechischen Referendums fand der Vorsitzende der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, "bedauerlich". EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kündigte Konsultationen an, mit den EU-Institutionen sowie den "demokratisch gewählten" Spitzenpolitikern der anderen 18 Staaten der Euro-Zone. Knapp war aber auch die Zeit bemessen, um die EU-Krisendiplomatie anlaufen zu lassen. Das Ergebnis der Abstimmung in Griechenland stand gerade einmal einen halben Tag fest, schon waren die nächsten Sondertreffen fixiert. Wie zwei Wochen zuvor, noch vor dem Auslaufen des Hilfsprogramms für das hochverschuldete Land, kommen am heutigen Dienstag einmal mehr die Finanzminister der Währungsgemeinschaft in Brüssel zu Beratungen zusammen, danach folgt eine Sitzung der Staats- und Regierungschefs. Da werden die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr französischer Amtskollege, Präsident François Hollande, bereits ein Zweiertreffen in Paris hinter sich haben.

Doch während die zahlreichen Zusammenkünfte der vergangenen Wochen Verhandlungen geschuldet waren, die mit der Hoffnung auf eine Einigung im Schuldenstreit in letzter, allerletzter Minute geführt wurden, sind die aktuellen Gesprächsrunden nur bedingt ein Wettlauf gegen die Zeit. Zwar müssen die Vertreter des Euroraums rasch Schritte setzen, um nicht handlungsunfähig zu erscheinen. Allerdings ist das Terrain, das sie betreten, noch unbekannt. Und der Weg zu einem schnellen Kompromiss ist nicht in Sicht.

Damit, dass der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis an der Lösungssuche nicht mehr beteiligt sein wird, ist nur das geringste Problem ausgeräumt. Die Auftritte des Politikers, der seinen Kollegen zuletzt Erpressung vorgeworfen hatte, machten die Gespräche nicht einfacher. Sein Rücktritt soll es nun Premierminister Alexis Tsipras ermöglichen, neuen Schwung in die Verhandlungen zu bringen.

Wie diese verlaufen sollen, war jedoch zunächst unklar. Tsipras soll seine Vorschläge beim Sondergipfel präsentieren, doch die Forderung der Griechen nach einem Schuldenerlass ist bisher auf wenig Sympathie gestoßen. Woher die Regierung in Athen nun Geld nehmen soll, bleibt so eine zentrale Frage. Vom Internationalen Währungsfonds (IWF) kann sie kaum neue Mittel erwarten, nachdem sie fällige Kreditraten nicht zurückgezahlt hat - auch wenn IWF-Direktorin Christine Lagarde weitere Unterstützung nicht ausgeschlossen hat. Der Euro-Rettungsschirm EFSF steht nicht mehr zur Verfügung. Übrig wäre dann noch der Rettungsfonds ESM.

Um die Möglichkeiten dieser Finanzierungsquelle auszuschöpfen, hat Griechenland allerdings Bedingungen zu erfüllen, die ähnlich unbeliebt sein könnten wie die am Sonntag abgelehnten. Zudem sind die Hilfen daran geknüpft, dass sie zur Wahrung der Finanzstabilität der Euro-Zone "unabdingbar" sind und dass das betroffene Land den europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin umgesetzt haben muss. Doch betonten etliche Spitzenpolitiker immer wieder, dass die Stabilität des Währungsraumes nicht in gravierender Gefahr sei. Auf der anderen Seite ist Griechenland mit seiner Verschuldung von fast 180 Prozent der Wirtschaftsleistung weit von den Budget-Vorgaben der EU entfernt; weitere Sparmaßnahmen werden daher wohl unvermeidlich.

Eine weitere Hürde gibt es in nationalen Parlamenten. Vor allem für Deutschland fixieren die ESM-Regeln eine Mitbestimmung des Abgeordnetenhauses. "In allen wesentlichen Fragen darf der deutsche Vertreter - beim ESM - nicht ohne Beteiligung des Bundestages abstimmen", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters das Finanzministerium. Nach ihren Angaben werden die Mandatare gleich zweimal befragt: Zunächst müssen sie dem Start von Verhandlungen über neue Finanzhilfen zustimmen, danach dem Programm selbst sowie dem entsprechenden Kreditvertrag. Nur dann kann der deutsche Finanzminister im entscheidenden ESM-Gremium ebenfalls mit "Ja" votieren.

Ausschluss nicht vorgesehen

Trotz der Schwierigkeiten betonen europäische Politiker ihre Bereitschaft zu weiteren Gesprächen. Frankreich drängt auf eine gemeinsame Lösung. Luxemburg, das vor einer Woche den EU-Vorsitz übernommen hat, pocht auf eine neue Chance. Die EU-Kommission sieht zwar den Graben zwischen den Euro-Partnern vertieft, doch erklärte Vizepräsident Valdis Dombrovskis: "Der Platz Griechenlands ist und bleibt in Europa."

Ob das auch die Euro-Zone beinhaltet, ist umstritten. Einen Austritt aus dieser Gemeinschaft sehen die EU-Verträge nämlich nicht vor. Vielmehr ist ein Mitglied der Europäischen Union verpflichtet, den Euro als Währung zu haben oder in Zukunft einzuführen. Ausnahmen gibt es nur für Großbritannien und Dänemark. Ansonsten heißt es im Vertrag von Lissabon: Die Gemeinschaft "errichtet eine Wirtschafts- und Währungsunion, deren Währung der Euro ist". Griechenland müsste also aus der EU selbst austreten, wenn es die Euro-Zone verlassen möchte. Freiwillig - denn ein erzwungener Ausschluss ist nicht vorgesehen.