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"Aber wir hören doch zu!"

Von Siobhán Geets

Politik
Debatte mit zwei Fronten (v.l.): Renate Anderl (ÖGB), EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, Moderatorin Ulla Ebner (Ö1), Alexandra Strickner (Attac), Leonore Gewessler (Global 2000) und Valentin Wedl (AK).
© Christian Novak

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström gelang es in der Arbeiterkammer nicht, die Sorgen über das Freihandelsabkommen TTIP zu zerstreuen, sie bewahrte aber Haltung.


Wien. Als am Montag die Verhandlungen über TTIP, das transatlantische Freihandelsabkommen mit den USA, in Brüssel in die nächste Runde gingen, war die dafür zuständige EU-Handelskommissarin nicht dabei. Cecilia Malmström war nach Wien gereist, um sich in der Arbeiterkammer einem durchwegs kritischen Publikum zu stellen - eine emotionale, aufgeladene Debatte mit strenger Inszenierung: Malmström hatte für ihr Eingangsstatement gerade einmal zehn Minuten Zeit; für die Beantwortung der gesammelten Fragen aus dem Publikum sowie der anderen Podiumsgäste wurden ihr fünf Minuten pro Runde zugesprochen. Mit der Rückendeckung ihrer Mitdiskutanten, den Vertretern von Gewerkschaftsbund, Global 2000, Attac und Arbeiterkammer, durfte Malmström freilich nicht rechnen.

So ging die Handelskommissarin vorauseilend beschwichtigend in die Debatte. Sie freue sich, dass so viele Frauen am Podium sitzen, so Malmström auf Deutsch, bevor sie im technischen Teil wieder auf Englisch wechselte. Sie verstehe die Sorgen der Österreicher, "Brüssel ist weit weg von dieser Debatte, aber wir hören zu, wir lernen daraus". So waren beim Start der Verhandlungen mit den USA vor drei Jahren weder die Texte noch das Mandat transparent. "Das haben wir geändert, jetzt sind alle Texte online."

"Wir haben nicht den Eindruck, dass Sie uns zuhören", entgegnete Alexandra Strickner (Attac). Von Transparenz könne man bei den strengen Zutrittsbedingungen für die Leseräume in den Parlamenten nicht sprechen, die Verhandlungen unterlägen nicht dem demokratischen Prozess. Zudem sei die Streitbelegung zwischen Investoren und Staat (ISDS) nicht im Einklang mit dem EU-Recht. ISDS ermöglicht es Konzernen, vor privaten Schiedsgerichten gegen nationale Gesetze zu klagen, wenn diese den erwarteten Gewinn des Unternehmens bedrohen könnten.

Unterschriften gegen TTIP

Malmström gelang es indes nicht, darzulegen, wieso TTIP auch für Österreich wichtig sei - sie kam schlicht aus ihrer Verteidigungsposition nicht heraus. Bei ISDS habe man sich auf unabhängige Richter und transparente Prozesse geeinigt, versuchte Malmström die Streitbeilegung zu verteidigen. Und überhaupt werde sie nur dann zum Zug kommen, wenn ausländische Investoren diskriminiert werden - das sei durchaus auch im Sinne österreichischer Unternehmer, die in den USA handeln wollen. Bei diesem Thema erntete Malmström heftigen Widerspruch. "Das Problem bleibt bestehen", sagte Strickner, "US-Konzerne können Staaten für ihre Gesetze klagen". Von einer "Paralleljustiz" sprach Stefan Knoll (Greenpeace), und Valentin Wedl (AK) legte nach: "Der Industrie in Österreich ist ISDS nicht wichtig. Wieso brauchen wir sie dann, wozu brauchen Steuerzahler die Gewinngarantie?" Überhaupt sollten Abkommen, die ganze Generationen prägten, auch mit diesen besprochen werden - "und nicht nur mit der Industrie."

Bei den durchwegs kritischen Wortmeldungen aus dem Publikum entstand der Eindruck, dass jeder zweite bereits Unterschriften gegen TTIP gesammelt hatte. Immer wieder wurden Befürchtungen geäußert, das Abkommen könnte europäische Standards herabsetzen - etwa in den Bereichen Umwelt, Lebensmittelqualität und Datenschutz. Malmström blieb nicht genug Zeit, um im Detail auf alle Fragen zu antworten. "Wir brauchen dieses Abkommen, die Welt verändert sich", hatte sie bereits zu Beginn betont. Das Paradeargument der europäischen Konservativen, das nun folgte, hörte sich an wie eine Drohung: In Zeiten der Globalisierung müsse man viele Abkommen schließen, es sei besser, an künftigen Standards mitzuarbeiten: "Wenn wir das nicht tun, machen es andere, die nicht viel von hohen Standards für Arbeit und Umwelt halten. Wollen wir wirklich, dass die den Ton angeben?"

Sorgen haben sich zementiert

In ihrem Schusswort wirkte Malmström dann doch etwas verzweifelt: "Die anderen EU-Staaten sind mehrheitlich für das Abkommen, auch, wenn Sie mir das jetzt nicht glauben." Zum absoluten Tiefpunkt ihrer Beliebtheitswerte beim Publikum dürfte die Aussage geführt haben, dass US-Konzerne Ceta, das bereits ausverhandelte Abkommen mit Kanada, nicht nutzen könnten, um in die EU zu gelangen. Ein Raunen ging durch den Saal - das glaubte ihr das Publikum nun wirklich nicht.

Zwar wurde die Kommissarin dafür gelobt, dass sie sich der Kritik stellte. Befürchtungen zu zerstreuen gelang ihr jedoch nicht - vielmehr scheinen sie sich noch gefestigt zu haben. Malmströms fast flehentlich hervorgebrachtem Vorschlag, erst einmal das Verhandlungsergebnis abzuwarten, wird hier wohl niemand folgen. Der Protest wird sich auch nach dieser Debatte fortsetzen.