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Ein Pakt ohne Zukunft

Von WZ-Korrespondent Manuel Meyer

Politik
Vor dem Presseauftritt ist nach dem Presseauftritt: PSOE-Chef Sanchez konnte zwar in Madrid die Unterstützung der Ciudadanos für eine Regierungsbildung verkünden, eine regierungsfähige Mehrheit fehlt ihm aber immer noch. Neuwahlen zeichnen sich ab.
© reu/Medina

Ciudadanos wollen Ernennung von PSOE-Chef Sanchez zum Premier zustimmen - stabile Koalition aber weiter nicht in Sicht.


Madrid. Sozialisten-Chef Pedro Sánchez und Albert Rivera von den liberal-konservativen Ciudadanos haben am Mittwoch in Madrid eine schriftliche Vereinbarung unterzeichnet. Darin erhalten Spaniens Sozialisten (PSOE) die Unterstützung der Liberalen zur Ernennung Sánchez zum Regierungschef. Zunächst sah der Pakt lediglich vor, dass Ciudadanos für Sánchez stimmen wird. Doch dann schloss Rivera auch eine mögliche Beteiligung seiner Partei an einer PSOE-Regierung nicht mehr aus.

Die parlamentarische Unterstützung der Liberalen musste sich Sánchez allerdings hart erarbeiten. Rivera forderte gleich mehrere Verfassungsänderungen und eine für die Sozialisten etwas zu neoliberale Reform des Arbeitsmarktes mit Herabsetzung der Kündigungshürden. "Es ist ein erster, aber nicht der definitive Schritt, den politischen Wechsel einzuleiten und in der kommenden Woche eine neue Regierung in Spanien bilden zu können", erklärte Sánchez nach der Unterzeichnung. Gut, könnte man meinen. Endlich ein Fortschritt in den seit Wochen stockenden Koalitionsverhandlungen. Immerhin liegen die spanischen Parlamentswahlen schon zwei Monate zurück und Pedro Sánchez, von König Felipe VI. mit der Regierungsbildung beauftragt, bleibt laut Verfassung nur noch knapp eine Woche, eine Mehrheit zu finden.

Hinter dem Pakt versteckt sich natürlich eine Strategie. Sánchez wollte damit sowohl den noch regierenden konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy (PP) als auch die linke Protestpartei Podemos unter Zugzwang setzen. "Dieser Pakt ist offen, schließt niemanden aus und reicht die Hand nach links wie nach rechts", versicherte auch Sánchez.

"Er schiebt damit die Verantwortung, ob Spanien eine neue Regierung bekommt, auf die Konservativen ab, die die Sozialisten immer wieder zum Wohl Spaniens zu politischer Verantwortung ermahnten und eine große Koalition anpriesen, um Neuwahlen zu verhindern", erklärt Jordi Rodríguez Virgili, Politologe an der Universität von Navarra. "Andererseits wollte Sánchez mit dem Pakt den Druck auf Podemos erhöhen, damit diese die für die Sozialisten inakzeptablen Forderungen wie ein Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien oder utopische Wirtschaftsmaßnahmen aufgeben, um eine Mitte-Links-Regierung bilden zu können".

Doch die für Sánchez ungewohnt ernste Miene nach der Unterzeichnung der Vereinbarung lässt ahnen, dass selbst der bisherige sozialistische Oppositionsführer glaubt, sich mit diesem Pakt vielleicht ein wenig verzettelt zu haben. Und die Antwort folgte auch prompt.

"Wir haben eine Mitte-Links-Regierung mit den Sozialisten gesucht. Aber nach diesem Pakt werden wir uns nicht enthalten und gegen Sánchez stimmen", erklärte Podemos-Parlamentssprecherin Irene Montero. Natürlich ließ man ein Hintertürchen offen. Hier wird gepokert und gezockt. Auch Mariano Rajoy stellte am Mittwoch in einem TV-Interview klar: "Der Pakt zwischen PSOE und Ciudadanos ist vollkommen sinnlos, da diese beiden Parteien keine Mehrheit im Parlament haben. Wir werden gegen Sánchez stimmen".

Podemos wartet auf neue Angebote der Sozialisten und hat zudem den Hebel in der Hand. Einerseits können sie laut Umfragen von Neuwahlen, die ihnen einen Stimmenzuwachs versprechen, nur profitieren. Andererseits hat Rajoy Recht: Das PSOE-Ciudadanos-Bündnis ist weit von einer Parlamentsmehrheit entfernt und damit ein wenig nutzlos. Das weiß auch die linke Protestpartei von Pablo Iglesias. PSOE und Ciudadanos kommen zusammen gerade einmal auf 130 der 350 Mandate, nur wenig mehr als die konservativen Wahlsieger mit 123 Sitzen. Für eine absolute Mehrheit sind 176 Stimmen notwendig.

Doch selbst im zweiten Wahlgang, der am 5. März stattfinden könnte, könnten sich PSOE und Ciudadanos alleine nicht durchsetzen, wenn nicht wenigstens die PP oder Podemos sich enthielten. Aber dazu wird es wohl nicht kommen. Rajoy spekuliert auf ein Scheitern des Sozialisten und kündigte an, danach selber eine Regierungsbildung anzugehen. Der Konservative, der aufgrund fehlender Partner diesmal Sánchez den Vortritt ließ, will erneut für eine große Koalition mit PSOE und Ciudadanos werben. Da die Sozialisten das strikt ablehnen, scheint Rajoy auf Neuwahlen am 26. Juni zu setzen.

Die Strategie könnte aufgehen: Sämtliche Umfragen sagen bei Neuwahlen nur der PSOE hohe Verluste voraus, die von Podemos sogar als zweitstärkste Partei abgelöst werden könnte. Die Volkspartei, die aufgrund neuester Korruptionsskandale selber vier Mandate verlieren dürfte, setzt aber auf die liberal-konservativen Ciudadanos. Ihre durch den Pakt noch verstärkte "Vermittlerrolle" dürfte die Liberal-Konservativen bei Neuwahlen bis zu zehn neue Mandate bringen. Zusammen könnte die Mitte-Rechts-Koalition damit auf 169 Sitze kommen - siebe Mandate von einer absoluten Mehrheit entfernt.