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Ein Punkt für die Brexit-Befürworter

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Großbritanniens Premier Cameron versucht mit einer "Einsatztruppe" gegen Steueroasen die Panama-Affäre abzuschütteln.


London. Mit der Verkündung neuer Maßnahmen gegen Geldwäsche und Steuerschwindel hat sich am Montag der britische Premierminister David Cameron wachsender Kritik an seiner Politik und seiner Person zu erwehren gesucht.

Cameron will eine Einsatztruppe aus Steuerexperten und Polizeifahndern "von Weltklasse-Format" ins Leben rufen, die Steueroasen ausleuchten und kriminelles Verhalten aufspüren soll. Zehn Millionen Pfund werden für den Anfang in diese Aktion investiert.

Außerdem will der Briten-Premier ein Gesetz einführen, das Firmen haftbar macht, wenn ihre Angestellten Kunden bei Steuerhinterziehung helfen. Seine Regierung habe "mehr als irgend eine andere im Kampf gegen jede Form von Korruption unternommen", sagte Cameron dazu. Im nächsten Monat findet in London unter britischem Vorsitz eine große internationale Tagung zu diesen Themen statt.

Die oppositionelle Labour Party fordert freilich weitergehende Schritte von Cameron. Sie verlangt eine umfassende und unabhängige öffentliche Untersuchung zu den Enthüllungen der "Panama Papers" fürs Vereinigte Königreich. Auch die Finanzmanöver Camerons und seiner Familie sollen von dieser Untersuchung unter die Lupe genommen werden.

Um die Vermögensverhältnisse Camerons war in den vergangenen Tagen ein bitterer Streit entbrannt. Der Streit begann mit der Information, dass Camerons verstorbener Vater Ian einen in Panama registrierten Offshore-Trust namens "Blairmore Holdings" unterhielt. Fragen nach diesem Trust wies die Regierungszentrale zunächst ab. Camerons Geldanlage, hieß es, sei dessen "private Angelegenheit".

Unter wachsendem Druck musste der Premier aber später in der Woche einräumen, dass auch er und seine Frau aus Aktien der "Blairmore Holdings" Nutzen gezogen hatten. In der Hoffnung, einen Schlussstrich unter die Affäre zu ziehen, veröffentlichte Cameron als erster Premierminister der britischen Geschichte am Sonntag einen Teil seiner Einkommens- und Steuer-Daten. Die Angaben reichen sechs Jahre zurück.

Geschenk statt Erbe

Mit der Veröffentlichung aber löste der Brite nur neue, bohrende Fragen aus. Unter anderem wird ihm nun vorgeworfen, ein "Geschenk" seiner Mutter in Höhe von 200.000 Pfund angenommen zu haben, nur um keine Erbschaftssteuer auf dieses Geld zahlen zu müssen.

Kritiker Camerons halten dem Premier außerdem vor, sich durch die Herabsetzung des britischen Steuersatzes für Top-Verdiener und durch die Vermietung des Londoner Hauses seiner Familie für rund 100.000 Pfund im Jahr "auf üble Weise" bereichert zu haben. Sie wollen darüber hinaus wissen, ob Cameron vor seinem Amtsantritt als Regierungschef im Mai 2010 von irgendwelchen bisher unbekannten Offshore-Trusts profitierte.

Außerdem ist bisher unklar, was aus dem Großteil des auf zehn Millionen Pfund geschätzten Vermögens Ian Camerons, des Vaters David Camerons, wurde. Der Fernsehsender Channel 4 will inzwischen ermittelt haben, dass Gelder der Camerons auch in zwei anderen Trusts auf der englischen Kanalinsel Jersey angelegt worden sind.

Der Labour-Party-Vorsitzende und Oppositionschef Jeremy Corbyn verlangte am Montag zusätzliche Auskünfte von Cameron. Zugleich soll sich Cameron, wenn es nach Labour geht, wegen Nichtangabe von Einkünften vor der Westminster-Kommissarin für gutes parlamentarisches Verhalten verantworten müssen.

Die zweite Oppositionspartei in Westminster, die Partei der schottischen Nationalisten (SNP), fordert außerdem Einblick in die Steuererklärungen anderer Minister. Insbesondere Schatzkanzler George Osborne muss sich gegen den Verdacht wehren, aus dunklen Geschäften persönlichen Nutzen gezogen zu haben.

Osborne ist nach Cameron der ranghöchste Minister der Tory-Regierung. Er ist aristokratischer Herkunft und eines der wohlhabendsten Mitglieder des konservativen "Kabinetts der Millionäre". Er wird von Cameron als logischer Nachfolger fürs Amt des Regierungschefs betrachtet.

Am Montag hatten bereits Repräsentanten mehrerer Parteien ihre eigenen Steuererklärungen ins Netz gestellt. Mittlerweile ist die Forderung erhoben worden, dass alle britischen Abgeordneten - und möglicherweise sogar alle Steuerzahler auf der Insel - ihre jährliche Steuererklärung offen legen sollten.

Die Forderung stößt auch auf Ablehnung. Das Ganze würde nur zu "nachbarlicher Schnüffelei" führen, warnen Politiker wie der Führer der britischen Rechtspopulisten, Nigel Farage.

Am Wochenende demonstrierten mehrere tausend Personen in London für den Rücktritt des Premierministers.

Camerons Popularität leidet

Neueste Umfragen zeigen auch, dass Camerons Glaubwürdigkeit im Zuge der Panama-Enthüllungen bereits spürbar gelitten hat. Dem Institut YouGov zufolge finden nur 18 Prozent der Briten, dass der Premier "offen und ehrlich" in dieser Frage gewesen ist. 56 Prozent finden das nicht.

Erstmals ist Camerons Beliebtheitsrate sogar unter die seines landesweit wenig populären Kontrahenten Corbyn gesunken. Auch in den konservativen Medien sieht sich der Premier scharfen Angriffen ausgesetzt.

Cameron selbst räumte ein, dass er "die Sache besser hätte handhaben sollen" und dass er sich dafür "die Schuld zuschreiben" müsse.

Sorge bereitet die Situation vor allem jenen Briten, die wie Cameron für den Verbleib ihres Landes in der EU sind.

Da der Premier der mit Abstand wichtigste Vertreter des Pro-EU-Lagers vorm Referendum des 23.Juni ist, spielt seine Schwäche der Gegenseite in die Hände. "Warum", fragte beispielsweise der Ex-Abgeordnete Ian Davidson, ein Pro-Brexit-Koordinator aus den Labour-Reihen, "sollte man einem Mann in Sachen Europäischer Union Vertrauen schenken, wenn man ihm nicht bei seinen eigenen Steuerangelegenheiten vertrauen kann?"