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Sturgeon und Khan dürfen feiern

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik
Der 45-jährige Sadiq Khan (Mitte) wird der erste moslemische Bürgermeister einer europäischen Großstadt.
© imago/i Images

Schottlands Nationalisten und der Labour-Kandidat fürs Londoner Bürgermeisteramt sind die großen Gewinner beim "Super Thursday".


London. Die Schottische Nationalpartei (SNP) hat bei den Wahlen zum schottischen Parlament einen dritten Wahlsieg errungen. Damit sichert sich die pro-europäische SNP eine starke Stellung fürs kommende EU-Referendum - und eine gute Ausgangsposition, falls sie in den nächsten Jahren ein zweites Unabhängigkeits-Referendum für Schottland verlangen will. Die Partei der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon verfehlte diesmal knapp (um zwei Mandate) die absolute Mehrheit in Edinburgh. Sie wird mit den schottischen Grünen oder den Liberaldemokraten ein Bündnis eingehen müssen. Aber beim Wähleranteil legten die Nationalisten noch zu. Sie kamen auf 49 Prozent aller Wählerstimmen. Sturgeon feierte den Wahlsieg ihrer Partei als "historisch".

Eine bittere Enttäuschung bescherte die Schottland-Wahl dagegen der Labour Party, die früher beherrschende Macht in Schottland war. Labour verlor hier 9 Prozent ihrer Wähler und ist künftig in der Arbeiterstadt Glasgow überhaupt nicht mehr mit Direktmandaten vertreten. Labour fiel sogar, zum ersten Mal seit über hundert Jahren, bei der Vergabe der Parlamentssitze hinter die Konservativen zurück, die nun die "offizielle Opposition" in Schottland stellen. Im Edinburgher Parlament wird die SNP mit 63, die Konservativen mit 31, Labour mit 24, die Grünen mit sechs und die Liberaldemokraten mit fünf Sitzen vertreten sein.

Auch anderswo im Vereinigten Königreich erzielte Labour an Großbritanniens "Super Thursday" - dem größten Wahltag zwischen zwei Unterhauswahlen - eher dürftige Ergebnisse. In Wales büßte die Partei 8 Prozent ein und konnte sich nur knapp an der Regierung halten. Bei den englischen Kommunalwahlen verlor Labour etwa 6 Prozent.

Zwar hielt sich der Verlust an kommunalen Mandaten in Grenzen. Zum befürchteten Verlust von hunderten von Sitzen kam es nicht. Vielerorts aber, etwa in Wales, verlor Labour Stimmen und Wähler an die Unabhängigkeitspartei Ukip. Mit dem Traditionsgebiet des Rhondda-Tals verlor sie eine ihrer wichtigsten und ältesten walisischen Hochburgen an Plaid Cymru, die walisische Nationalpartei.

Labours Parteichef Jeremy Corbyn verteidigte sich damit, dass seine Partei seit seiner Ernennung im vorigen September leicht zugelegt habe. Man habe "durchgehalten", sagte Corbyn. Geduld sei vonnöten. Viele Labour-Politiker zeigten sich aber enttäuscht davon, dass ihre Partei kaum irgendwo dazu gewonnen hatte.

Die frühere Schattenministerin Emma Reynolds etwa erklärte, die erzielten Ergebnisse seien "einfach nicht gut genug", als dass Labour davon ausgehen könnte, zurück an die Regierung zu kommen und "diese üble Tory-Regierung endlich loszuwerden".

Die Tories selbst zeigten sich zufrieden mit dem Wahlausgang. Sie behaupteten sich im Landesdurchschnitt und konnten außerdem auf ihren besonderen Erfolg in Schottland verweisen. Premierminister David Cameron erklärte, seine Partei könne stolz darauf sein, überall ihre Stellung gehalten und sie in Schottland dramatisch verbessert zu haben. Das, sagte er, sei nicht leicht für eine Regierungspartei.

Erneuten Zuwachs in weiten Teilen des Landes verzeichnete auch Ukip, die Partei der Rechtspopulisten, die sich für einen Austritt aus der EU und gegen "unkontrollierte Immigration" stark macht. In Wales allein legte Ukip um fast 13 Prozent zu und wird künftig im Parlament in Cardiff mit sieben Sitzen vertreten sein.

Das sei "der Durchbruch" für seine Partei, erklärte der Ukip-Vorsitzende Nigel Farage. In Wales wie in Schottland wird ein proportionales Wahlrecht angewendet, das kleineren Parteien wie Ukip zugute kommt. Die Schotten zeigten Ukip die kalte Schulter. In den englischen Regionen wiederum schnitt Ukip gut ab. Dort belegten Ukip-Kandidaten häufig den zweiten Rang. Wegen des Mehrheitswahlrechts in England ziehen aber immer nur die Bestplatzierten in die Kommunalparlamente ein.

"Ohne Ansicht von Rasse

und Religion"

Bei den mit besonderer Spannung erwarteten Bürgermeisterwahlen in London zeichnete sich bereits am Freitagnachmittag ein klarer Sieg für den Labour-Kandidaten Sadiq Khan ab. Khan war von Anfang an Favorit für den Posten.

Der frühere Menschenrechtsanwalt, aus einer einfachen pakistanischen Einwandererfamilie, trat gegen den konservativen Milliardärssohn, Umweltschützer und Anti-EU-Politiker Zac Goldsmith an. Nach Auszählung der Erststimmen kam Khan auf 44 Prozent und Goldsmith auf 35 Prozent. Khan löst den Konservativen Boris Johnson ab, der die vergangenen acht Jahre Mayor von London war. Vor ihm bekleidete Ken Livingstone für Labour acht Jahre lang das Amt.

Khans Wahl ist umso bemerkenswerter, als er der erste Moslem ist, der auf einen Posten von solcher Bedeutung gewählt wurde. Da nur 13 Prozent der Bevölkerung Londons Moslems sind, hat auch ein Gutteil der weißen und nicht-moslemischen Bevölkerung Londons für Khan gestimmt. Das, meinte Professor Tony Travers von der London School of Economics, sei ein Beweis dafür, "dass London in der Lage ist, Entscheidungen ohne Ansicht von Rasse und Religion" zu treffen.

In der Tat suchte eine Tory-Kampagne in den letzten Monaten, Khan zum "radikalen Moslem" zu stempeln. Die Kampagne scheint aber das Gegenteil des Bezweckten bewirkt zu haben. Auch der jüngste Antisemitismus-Streit in der Labour Party hat Khan nicht geschadet. Khan selbst hat stets scharfe Maßnahmen gegen Antisemitismus gefordert.

Sadiq Khan: Vom Arbeiterkind und Einwanderersohn zum Bürgermeister

Ein Bürgermeister für alle Londoner will Sadiq Khan sein. Der Einwanderer, die ihr Glück in der Millionenmetropole London suchen.

Der Sohn pakistanischer Immigranten wuchs mit sieben Geschwistern in einer Sozialwohnung im Süden Londons auf. Der Vater arbeitete als Busfahrer, die Mutter als Näherin. Der ehrgeizige Sadiq studierte Jus und wurde Menschenrechtsanwalt. 2005 wählten ihn die Bürger in seinem Heimatviertel per Direktwahl zum Abgeordneten.

Unter Premierminister Gordon Brown diente er als Verkehrsminister. Bei der obligatorischen Vereidigung zum Geheimrat im Buckingham Palace legte Khan seinen Eid nicht auf eine Bibel, sondern auf einen Koran ab. Der gläubige Muslim sah sich während des Wahlkampfs mehrfach dem Vorwurf ausgesetzt, er habe Kontakte zu islamischen Extremisten.

Sowohl sein konservativer Rivale um das Bürgermeisteramt, Zac Goldsmith, als auch Premierminister David Cameron trugen den Vorwurf gebetsmühlenhaft vor. Khan dagegen bezeichnete sich stets als "britischen Muslim" und versicherte, gegen Extremisten zu kämpfen.

Obwohl Khan linke Positionen vertritt, will er nach eigener Aussage "der wirtschaftsfreundlichste Bürgermeister von London" werden. Er versprach den Wählern, mehr in bezahlbare Wohnungen zu investieren und die Kosten für den Nahverkehr einzufrieren.

Offiziell unterstützt er den linken Parteichef Jeremy Corbyn, er hält aber auch immer ein bisschen Distanz zu ihm. Als vor allem Politiker des linken Parteiflügels kurz vor der Wahl in eine Antisemitismus-Debatte schlitterten, sparte Khan nicht mit Kritik. Rasch verurteilte er umstrittene Äußerungen des ehemaligen Londoner Bürgermeister Ken Livingstone, Hitler habe zeitweise den Zionismus unterstützt.

Khan ist mit einer Anwaltskollegin verheiratet und hat zwei Töchter im Teenager-Alter.