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Staffelübergabe im Schatten des Brexit

Von WZ-Korrespondentin Karin Rogalska

Politik

Die Slowakei übernimmt erstmals seit ihrem EU-Beitritt im Jahr 2004 die EU-Ratspräsidentschaft.


Bratislava. Im denkbar letzten Moment hat das slowakische Kabinett das Programm für die EU-Ratspräsidentschaft der nächsten sechs Monate verabschiedet. "Es ist sehr richtig, dass wir bis 30.Juni gewartet haben, weil wir wussten, dass der Gipfel eine äußerst bedeutsame Botschaft bringen würde", unterstrich Regierungschef Robert Fico nach seiner Rückkehr aus Brüssel vom möglicherweise letzten Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs unter britischer Beteiligung.

Die Slowakei übernimmt am heutigen Freitag turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft von den Niederlanden. Bratislava will die Briten nicht drängen, den notwendigen Antrag auf Ausscheiden aus der EU zu stellen. Großbritannien werde als starker Player ohnehin nicht auf Druck reagieren, ist Robert Fico überzeugt. Hinter den sanften Tönen steckt mehrfaches Kalkül.

Die Slowaken haben die Arbeitslosenquote in den vergangenen Monaten mühsam auf den EU-Durchschnitt von 10,2 Prozent gedrückt und sehen sich zudem als Interessensverwalter auch der anderen drei Staaten der Visegradgruppe Polen, Tschechien und Ungarn. Bei den anstehenden Verhandlungen mit Großbritannien wollen sie durch moderates Auftreten erreichen, dass die Mittelosteuropäer, die in den vergangenen Jahren Arbeit im Vereinigten Königreich gefunden haben, dort bleiben können und nicht etwa wieder die angespannten Arbeitsmärkte in ihrer Heimat belasten.

Außerdem hat sich Österreichs Nachbarland im vergangenen Jahr zu einem sehr beliebten Ziel für britische Investoren gemausert. Fico will nicht nur so dringend benötigte Großunternehmen wie Jaguar im Land halten, sondern den Briten die Slowakei auch als bilateralen Partner nach einem möglichen EU-Austritt Großbritanniens schmackhaft machen.

Schließlich steht Außenminister Miroslav Lajcak sehr weit oben auf der Liste der Kandidaten für die Nachfolge von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon. Seine derzeit hervorragenden Aussichten kann er nur untermauern, wenn er mit Nachdruck und ohne überflüssige Konfrontation mit den Grundstein für eine tiefgreifend reformierte EU legt.

"Innere Reflexion"

Da ist es folgerichtig, wenn Lajcak für eine "tiefe innere Reflexion" über die Grundlagen einer EU-27 plädiert. Es ergebe keinen Sinn, wenn Großbritannien einen Antrag auf Ausscheiden aus der Union stelle, ohne dass sich die übrigen Staaten zuvor über die wesentlichen Eckpunkte ihrer künftigen Zusammenarbeit verständigt hätten, so der Minister. Konkret will sich Bratislava für ein wirtschaftlich starkes Europa, einen modernen umfassenden Binnenmarkt, eine nachhaltige Migrations- und Asylpolitik und ein global engagiertes Europa einsetzen sowie konkrete Ergebnisse, den inneren EU-Zusammenhalt und ihre konsequente Ausrichtung auf die Bürger befördern.

Inwieweit sich der EU-Präsidentschaftsneuling Slowakei mit seinem moderaten Kurs gegenüber Großbritannien durchsetzt, hängt vor allem davon ab, was Robert Fico, der zuletzt immer wieder Verbalattacken gegen Migranten und Moslems ritt, zur Lösung der EU-Flüchtlingskrise in den Ring wirft. "Wir werden uns auf positive Aspekte der Migration konzentrieren, die den EU-Bürgern helfen", signalisierte Lajcak. Im Klartext bedeutet das aber nur, dass sich die Slowaken vorrangig Fragestellungen widmen wollen, die ihre eigenen Interessen entgegenkommen.