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Urheberrechtspaket der EU-Kommission lässt "Online-Problem" ungelöst

Von Anja Stegmaier

Politik
Gemeinsam für Modernisierung und Harmonisierung: Die EU-Kommissare Andrus Ansip (l.), der für den digitalen Binnenmarkt zuständig ist, und Günther Oettinger (r.), zuständig für Digitalwirtschaft.
© EU

Das geplante Leistungsschutzrecht über 20 Jahre für Inhalte im Internet erfreut Presseverlage - Kritiker halten es für zahnlos.


Straßburg/Wien. Bis Ende dieses Jahres soll es einen digitalen Binnenmarkt in der Europäischen Union geben. Denn nach aktuellen Schätzungen wird die Digitalisierung von Produkten und Dienstleistungen der europäischen Industrie in den nächsten fünf Jahren zusätzliche Erlöse von jährlich mehr als 110 Milliarden Euro einbringen.

Auf dem Weg zum digitalen EU-Einheitsmarkt sind von der Kommission am Mittwoch Maßnahmenpakete zur Reform des Urheber- und Vertragsrechtes sowie zu einem einheitlich für mobiles Internet verfügbaren Frequenzbands vorgelegt worden. Die Reformen des EU-Kommissars für Digitalwirtschaft, Günther Oettinger, und des Vizepräsidenten der Kommission, Andrus Ansip, werden die bestehende Urheberrechtsrichtlinie von 2001 aber nur ergänzen. Bereits im Vorfeld kündigten die beiden Kommissare an, EU-Bürger sollen Online-Abo-Dienste wie etwa Netflix künftig europaweit nutzen dürfen. Die Sender sollen nun berechtigt werden, grenzüberschreitend ihren Service anzubieten. Was Auswirkungen auf den Markt, wie etwa Filmförderungen haben dürfte, weil größere Sender im Vorteil wären. Geoblocking, das regionale Sperren von Inhalten, wird es aber prinzipiell weiter möglich sein - was viele Nutzer enttäuschen dürfte.

Ergänzungen zum Urheberrecht

In Zukunft soll ein EU-Leistungsschutzrecht für Presseverleger über 20 Jahre für deren Online-Inhalte in Kraft treten. Für diesen Zeitraum können Urheber bei der Verbreitung ihrer Werke finanzielle Entschädigung von Onlineunternehmen verlangen. Auf die Frage, wieso die Regelung nun EU-weit funktionieren soll, wenn sie, wie in Deutschland und Spanien, bereits in Kraft ist, faktisch zahnlos bleibt, argumentiert Oettinger mit dem höheren Druck, der nun gemeinsam ausgeübt werden könnte. Google könne etwa auf ein Land verzichten, aber nicht auf 27 Länder, so Oettinger.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker betonte in seiner Rede zur Lage der EU, dass Publizisten und Autoren für ihre Arbeit fair bezahlt werden sollen - sei es durch Verbreitung mit Kopiermaschinen oder kommerzielle Verlinkung im Internet.

Die effektive Anerkennung und Vergütung von Rechteinhabern gilt als der größte Wurf des Pakets. Produzenten sollen gesetzlich verbriefte Transparenzansprüche gegenüber Rechteverwertern erhalten, und es soll die Möglichkeit zur Nachverhandlung von Verträgen geben. Produzenten hätten so in Zukunft ein Recht auf Vergütung auch bei der wiederholten Nutzung ihrer Werke.

"Anlauf zum Rückschritt"

Der österreichische Internetwirtschaftsverband ISPA kritisiert die Vorschläge der Kommission und nennt diese einen "Anlauf zum Rückschritt". Der Entwurf behindere gar den europäischen digitalen Binnenmarkt. Zudem nehme er künftig die Hosting-Provider in die Verantwortung, die Uploads ihrer Nutzer auf Urheberrechtsverletzungen hin zu überwachen. Zeitgemäßes Nutzungsverhalten werde nicht berücksichtigt, so werden News-Dienste zur Finanzierung überalterter Geschäftsmodelle herangezogen. Graubereiche gebe es nach wie vor in Sachen Panoramafreiheit, also dem urheberrechtlichen Schutz von Gebäuden, etwa auf Urlaubsfotos. Bei der Reform des Leistungsschutzrechtes, von der vor allem Presseverlage profitieren sollen, sieht die ISPA die Meinungsfreiheit im Internet behindert. Dann würde der Grundsatz der freien Verlinkung untergraben werden.

Der österreichische Rechtsanwalt Harald Karl hält das Urheberrechtspaket für "unausgegoren". Es sei noch ein großes Stück am Weg zu einer klaren Regelung zu gehen sagt er zur "Wiener Zeitung". Der Urheberrechtsexperte ist skeptisch, was die Neuerung der Nutzungsrechte betrifft. Die große, nicht angesprochene Problematik in dem Paket, dass Internetriesen wie Google urheberrechtliche Inhalte nutzen und dafür nicht bezahlen, werde nicht gelöst. Auch wenn nun, wie bereits in Deutschland in Kraft, ein Leistungsschutzrecht für Online-Inhalte greifen soll, so werde dieses, wie im Nachbarland, wohl zahnlos bleiben. Schließlich bleibt, wie Vizepräsident Ansip betonte "die Verlinkung in Zukunft für jeden frei", was auch der Europäische Gerichtshof bereits sehr weit freigestellt hat. Plattformen wie Google nutzen aber eben Verlinkungen, um Inhalte zu präsentieren. Dies sei eine Schwachstelle, so Karl.

Impulse für Österreich

In dem vorgestellten Paket sieht Karl jedoch auch Impulse für Länder wie Österreich, in denen die Position des Urhebers nun gestärkt werden könnte. Der Anspruch für Urheber auf eine angemessene Vergütung durch Urhebervertragsrecht und Rechnungslegungsanspruch sei demnach für selbstständige Werkschaffende ohne Verlag im Rücken eine Verbesserung.

Nun liegt es an den Abgeordneten des Europäischen Parlaments, sich schnellstmöglich und gründlich zu einigen. Oettinger drängt auf eine Entscheidung im Jahr 2017 - die Technologie sollte die Gesetzgebung schließlich nicht überholen.