London. Bedrückt packen die Delegierten der Labour Party die Koffer für ihre Jahreskonferenz in Liverpool, im englischen Nordwesten. Vielen schwant Schlimmes vor der Parteiversammlung, die an diesem Wochenende beginnt.

Lord Kinnock, der langjährige frühere Parteichef, sieht seine Partei schon jetzt in "der schlimmsten Krise" ihrer Geschichte überhaupt. Er habe "größte Zweifel", klagt der Elder Statesman der britischen Linken, "dass ich zu Lebzeiten noch mal eine Labour-Regierung zu Gesicht bekommen werde".

Für "so gut wie tot und am Ende" hält auch der frühere Innenminister Alan Johnson die Labour Party, das traditionelle Sammelbecken der Sozialisten, Sozialdemokraten und Sozialliberalen in Großbritannien - "falls es uns nicht noch in letzter Minute gelingt, uns unsere Partei wieder zu holen". Ähnlich Pessimistisches ist auch von anderen Parteigrößen zu hören. Labour marschiere stracks auf die Spaltung zu, befürchten viele. Es werde, wenn das geschehe, womöglich auf Jahrzehnte hin die Regierungsgeschäfte den Konservativen überlassen.

Schweigen im Brexit-Tumult

In der Tat war die Partei schon in den letzten Monaten derart mit sich selbst beschäftigt, dass sie kaum Einfluss auf die "große Politik" zu nehmen vermochte. Von einer "Katastrophe" spricht zähneknirschend der Labour-Bürgermeister Londons, Sadiq Khan.

Denn nie, meinen Leute wie Khan, Johnson oder Kinnock, wäre es so wichtig gewesen wie jetzt, dass die Partei der Opposition auf der Insel ihre Stimme erhöbe. Mitten in den Brexit-Tumulten dieses Herbstes herrscht fatales Schweigen in Westminster.

Wer sich im Unterhaus noch gegen den Bruch mit der EU, oder wenigstens gegen einen "harten" Brexit wehrt, sind die Mini-Fraktionen der Liberaldemokraten und der Grünen. Nicola Sturgeons schottische Nationalisten, ebenfalls klar pro-europäisch, suchen derweil von Edinburgh aus, so gut es geht, Einfluss zu nehmen. Diesem Einfluss sind freilich enge Grenzen gesetzt.

Labour aber ist der schweigende Riese der britischen Politik dieser Tage. Das liegt teils daran, dass der Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn für die EU nie viel Sympathie aufgebracht hat - im Unterschied zu seiner Partei. Zum Teil hängt es aber auch daran, dass sich die Labour-Leute, wegen Corbyn generell, in einen blutigen Bruderkrieg verrannt haben.

Denn schon bevor die Parteibasis den ergrauten Linkssozialisten im vorigen September zum Parteichef kürte, hielt ihn ja die wesentlich weiter rechts angesiedelte Fraktionsmehrheit für einen Einzelgänger und notorischen Rebellen ohne Wahlchancen in der weiteren Bevölkerung.