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Es fehlt an Reformwillen

Von WZ-Korrespondent Matthias Nagl

Politik
52 Projekte hat der EU-Rechnungshof geprüft. Sie wurden im Großen und Ganzen korrekt durchgeführt, sagt Fazakas.

Die EU-Kommission sollte geförderte Projekte strenger prüfen, meint Szabolcs Fazakas.


Salzburg. Die EU-Beitrittskandidaten vom Westbalkan bekamen von der EU von 2007 bis 2009 5,1 Milliarden Euro projektbezogene Förderung. Kürzlich hat der EU-Rechnungshof seine Prüfung der Länder Serbien, Montenegro, Albanien, Mazedonien, Bosnien und Kosovo vorgelegt. Über die Ziele der Förderung, die Problemfelder und die Beitrittsperspektive der Länder hat die "Wiener Zeitung" bei einer Tagung des Instituts der Regionen Europas in Salzburg mit Szabolcs Fazakas, dem zuständigen Rechnungshofmitglied, gesprochen.

"Wiener Zeitung": Hat die EU mit den 5,1 Milliarden Euro an Unterstützung für die Länder des Westbalkans ihre Ziele erreicht?

Szabolcs Fazakas: Das kann man nicht in einem Satz beantworten. Die EU hat im Großen und Ganzen ihr Ziel erreicht, die Mittel wurden wirksam verwendet. Die Länder wurden damit wirtschaftlich, sozial und administrativ auf die EU-Mitgliedschaft vorbereitet. Wir stellten aber fest, dass es in vielen Punkten erhebliche Mängel gibt, die auf die Länder zurückzuführen sind. Das können wir als mangelnde Reformbereitschaft zusammenfassen.

Wo gibt es die größten Mängel?

Das sind Probleme, die bei einzelnen Projekten vorkommen: Die notwendigen administrativen Kapazitäten, um die EU-Mittel jetzt und in Zukunft als Mitglied richtig aufnehmen zu können, wurden noch nicht richtig aufgestellt. Häufig mussten wir feststellen, dass beschlossene Gesetze mangelhaft angewendet wurden. Sehr oft lag das an einem Mangel an Ressourcen oder Personal, der auf die fehlende Reformbereitschaft zurückzuführen ist. Wo es eine geregelte, transparente Administration gibt, ist es schwer, korrupt zu sein. Die Länder müssen sich administrativ vorbereiten und auch im Punkt Rechtsstaatlichkeit muss noch vieles getan werden.

Die Problemfelder liegen also eher aufseiten der Bewerberländer?

Ja, aber wir haben die EU geprüft und mussten feststellen, dass sie bei der Auswahl der Projekte viel konsequenter vorgehen muss. Es soll nicht vorkommen, dass wir Projekte unterstützen, für deren Planung und Verwirklichung die Bedingungen nicht erfüllt sind. Zum Beispiel fehlten bei einer Donaubrücke im serbischen Novi Sad die Ausschreibungen und Genehmigungen. Auch die Kontrolle durch die Kommission muss strenger sein. Und wenn Projekte nicht richtig funktionieren, müssen die Summen zurückgezogen werden.

Was hat die EU mit diesen 5,1 Milliarden Euro konkret gemacht?

Wir haben 52 Projekte geprüft. Es sind vor allem Infrastrukturprojekte, aber auch Wirtschafts- und Sozialprojekte wie Krankenhäuser und Schulen. Sie wurden im Großen und Ganzen richtig durchgeführt. Die Bekämpfung von Korruption war immer ein Bewertungspunkt, sodass Korruption bei diesen Projekten ausgeschlossen wurde. Man müsste aber verlangen, dass diese Kenntnisse bei allen Projekten verwendet werden, damit die Länder beweisen, dass sie es ernst meinen und europatauglich sind. Bei den Projekten, die wir nicht geprüft haben, weil keine europäischen Gelder verwendet wurden, soll es große Mängel gegeben haben. Als wir die Länder darauf angesprochen haben, hieß es: Damit habt ihr nichts zu tun. Aber die Mitgliedschaft gilt für das ganze Land. Es ist wichtig, dass die Staaten entsprechende Institutionen ins Leben rufen.

Gibt es auch Bereiche, in denen Sie Fortschritte festgestellt haben?

Alle genehmigten Projekte haben zum Fortschritt beigetragen. Im Energiewesen, im Umwelt- und Verkehrswesen, in der Industrie und in der Wirtschaft. Insgesamt gab es 5,1 Milliarden Euro, das sind tausende von Punkten, die verwirklicht wurden. Aber um ein Land europatauglich zu machen, muss man die administrativen Kapazitäten in Ordnung bringen.

Bis 2020 soll es keine neuen EU-Mitglieder geben. Glauben Sie, dass von den geprüften Westbalkanländern manche bis dahin bereit für einen Beitritt sein könnten?

Bei keinem der Länder wären die Bedingungen für einen EU-Beitritt bis 2020 erfüllt. Hätte man das als politisches Ziel festgelegt, hätte man mit mehr Eile vorgehen müssen. Jetzt beginnen erst die Verhandlungen, und dann sehen wir, wer wann so weit ist. Aber wir haben mit der regionalen Betrachtung noch einen Punkt hinzugefügt. Man sollte die ganze Region wirtschaftlich, sozial und administrativ auf ein Niveau bringen, damit sie harmonisch miteinander arbeiten. Sonst besteht die Gefahr der gegenseitigen Ansteckung mit Problemen, und dass die Region als Ganzes nicht beitreten kann. Aber diesen Prozess können wir als Rechnungshof nicht bewerten. Wir können nur sagen, was bis jetzt ausgegeben wurde.

In der aktuellen Periode sind sechs Milliarden Euro für die Westbalkan-Länder vorgesehen. Können Sie abschätzen, ob es da in Hinblick auf Ihre Empfehlungen Verbesserungen gibt?

Ich kann sagen, dass wir eine ständige Verbesserung sehen konnten. Sowohl bei der Kommission als auch bei den begünstigten Ländern. Die Entwicklung ist auf dem richtigen Weg. Nachdem unsere Erkenntnisse und Empfehlungen besprochen und angenommen wurden, können wir annehmen, dass die Kommission demgemäß arbeiten wird und weitere Verbesserungen folgen werden.

Szabolcs Fazakas, (69), war von 1996 bis 1998 ungarischer Handelsminister und von 2004 bis 2009 für die Sozialdemokratische Partei Europas Abgeordneter zum Europäischen Parlament. Seit 2010 ist er Mitglied des Europäischen Rechnungshofs.