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Keine Panik in Rom

Von WZ-Korrespondent Julius Müller-Meiningen

Politik
Premier Renzi (Bild) zieht die Konsequenzen aus dem

Ministerpräsident Renzi bleibt noch bis zur Verabschiedung des Haushaltsgesetzes im Amt.


Rom. Eigentlich sollte Piercarlo Padoan am Montagvormittag seine Kollegen treffen. Aber vom italienischen Wirtschafts- und Finanzminister war bei der Sitzung der Eurogruppe in Brüssel keine Spur. Padoan musste nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Matteo Renzi in Folge der abgelehnten Verfassungsreform nicht nur die finanzpolitischen Fäden in Rom zusammen halten. Zahlreiche Beobachter rechneten damit, der 66-jährige Padoan könnte in den kommenden Wochen von Staatspräsident Sergio Mattarella als neuer Premierminister mit der Bildung einer Übergangsregierung beauftragt werden.

Padoan war auf Drängen von Ex-Staatspräsident Giorgio Napolitano von Renzi im Februar 2014 in dessen Regierung als Garant für finanzpolitische Sicherheit aufgenommen worden. Auf das internationale Profil des ehemaligen Ökonomieprofessors aus Rom wollte Napolitano nicht verzichten. Am Montag zeigten sich auch die EU-Spitzen von Padoan als möglichem Nachfolger für Renzi angetan. Der Minister sei "ein Mann von hoher Qualität, der Italien Glaubwürdigkeit verliehen hat", urteilte Wirtschafts- und Währungs-Kommissar Pierre Moscovici.

Hohe Wahlbeteiligung

Auch angesichts dieser Aussichten blieben die für den Rücktritt der Regierung Renzi erwarteten Turbulenzen an den Finanzmärkten am Montag zunächst aus. "Investoren reagieren mit Achselzucken auf das Italien-Votum", titelte das "Wall Street Journal" am Montag in seiner Online-Ausgabe. Beim Referendum über eine Verfassungsreform in Italien hatten am Sonntag knapp 60 Prozent der Wähler gegen die Reform gestimmt. Renzi hatte daraufhin seinen sofortigen Rücktritt als Premierminister angekündigt. Auf Drängen von Staatspräsident Sergio Mattarella erklärte sich der 41-Jährige aber bereit, noch bis zur Verabschiedung des wichtigen Haushaltsgesetzes im Amt zu bleiben und anschließend zurückzutreten.

Am Vormittag war Renzi zu einem informellen Gespräch mit Staatspräsident Sergio Mattarella im Quirinalspalast, dem Sitz des Staatsoberhaupts, zusammengekommen. Dem Vernehmen nach lotete Mattarella dabei auch die Möglichkeit aus, Renzi ein neues Mandat zur Regierungsbildung zu erteilen. Renzi schloss diese Möglichkeit aber kategorisch aus. Am Nachmittag war sogar die Rede davon, Renzi könnte den Parteivorsitz des Partito Democratico (PD) aufgeben. Eine für Dienstag angesetzte Präsidiumssitzung wurde verschoben. Für den frühen Abend berief Renzi den Ministerrat ein und erklärte sich anschließend Mattarella gegenüber bereit, noch bis zur Verabschiedung des Haushaltsgesetzes im Amt zu bleiben.

Kommt es zu keinen Zwischenfällen könnte der Senat das Gesetz binnen weniger Tage verabschieden. In Rom wird damit gerechnet, Mattarella würde anschließend Sondierungsgespräche mit den im Parlament vertretenen Parteien führen und einem anderen Politiker des Mitte-Links-Lagers ein Mandat zur Regierungsbildung erteilen. Neben Padoan wurde Senatspräsident Pietro Grasso als Kandidat gehandelt.

Neues Wahlrecht muss her

Der Staatspräsident war am Montag um beruhigende Worte bemüht. Die hohe Wahlbeteiligung beim Referendum über die Verfassungsreform am Sonntag sei "Beweis für eine starke Demokratie, für ein leidenschaftliches Land", erklärte Mattarella. Er mahnte die Institutionen zu Respekt im Hinblick auf die anstehenden "Probleme" und "Fristen". Der Staatspräsident bestätigte damit seine Linie, zunächst keine Neuwahlen anzusetzen. Das hatten die 5-Sterne-Bewegung um den Komiker Beppe Grillo sowie die fremdenfeindliche Lega Nord gefordert. Mattarellas Worte wurden als Hinweis auf die Notwendigkeit der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes verstanden. Die künftige Regierung müsste zudem ein neues Wahlrecht durchs Parlament bringen. Nach dem Scheitern der Verfassungsreform gelten verschiedene Wahlgesetze für Abgeordnetenhaus und Senat. Das "Italicum" genannte Wahlrecht für das Abgeordnetenhaus war für den Fall einer erfolgreichen Verfassungsänderung konzipiert worden. Unter anderem weil der stärksten Partei ein extremer Mehrheitsbonus von 340 von 630 garantiert wird, wurde gegen das "Italicum" beim Verfassungsgericht Beschwerde eingelegt. Eine Entscheidung steht noch aus.
Für den Senat gilt ein reines Verhältniswahlrecht. Die Bildung einer stabilen Mehrheit in beiden Kammern gilt daher als beinahe unmöglich. Der durchgefallenen Verfassungsreform zufolge wäre der Senat zu einer nachrangigen Parlamentskammer umgewandelt worden. Die künftige italienische Regierung hat daher die primäre Aufgabe, ein neues und praktikables Wahlrecht zu verabschieden. Besonders kritisch ist außerdem die Lage der italienischen Banken, die auf bis zu 270 Milliarden Euro fauler Kredite verbucht haben. Die geplante Rekapitalisierung der Krisenbank Monte dei Paschi di Siena mit fünf Milliarden Euro gilt nach der gescheiterten Verfassungsreform und den unstabilen Verhältnissen als gefährdet. Im Fall einer Abwicklung des Instituts müssten die Gläubiger nach den neuen europäischen Regeln an den Kosten beteiligt werden. Diese Operation gilt als politisch besonders problematisch, weil unpopulär. Da er über große finanzpolitische Erfahrung verfügt und ihm keine außerordentlichen persönlichen Ambitionen nachgesagt werden, käme nicht wenigen Protagonisten in Rom für diese undankbaren Aufgaben eine Regierung Padoan gerade recht.