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Ungarn sperrt Asylwerber weg

Von WZ-Korrespondentin Kathrin Lauer

Politik

Parlament beschließt Zwangsunterbringung in Containern an Grenze zu Serbien - EU-Kritik sehr verhalten.


Budapest. In Ungarn werden demnächst Asylwerber ohne Ausnahme in Internierungslagern festgehalten. Ihre Versorgung mit Lebensmitteln wurde eingeschränkt. Diese Verschärfung der Gesetzgebung beschloss das Parlament in Budapest am Dienstag, begleitet von neuen Hasstiraden des rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orbán gegen Flüchtlinge.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR äußerte sich "zutiefst besorgt" über die Maßnahmen. Mit dem neuen Gesetz verletze Ungarn internationales und europäisches Recht. "Praktisch wird jeder Asylbewerber lange Zeit in Schiffscontainern hausen müssen, die von hohem Stacheldraht umgeben sind, auch Kinder", hieß es aus der UNHCR-Zentrale. Die EU-Kommission wollte dies vorerst nicht kommentieren, sie wartet erst eine offizielle Mitteilung der ungarischen Regierung über das neue Gesetz ab.

Innenminister Sándor Pintér begründete die Gesetzesverschärfung damit, dass "unzählige illegale Einwanderer" die EU-Gesetze "missbrauchen", indem sie Asylanträge stellen und sich danach innerhalb der EU frei bewegten. Dies sei ein Sicherheitsrisiko. Für seine Vorlage stimmten 138 Abgeordnete von Orbáns Partei Fidesz und der oppositionellen rechtsextremen Jobbik-Partei. Von der Opposition gab es sechs Nein-Stimmen und 22 Enthaltungen.

Der Neuregelung zufolge sollen alle Asylbewerber an die serbische Grenze gebracht werden und dort in den Containern der sogenannten Transitzone untergebracht werden. Nur noch dort sei es möglich, Asylanträge zu stellen. Seit vorigem Jahr sind diese Transitzonen die einzige nach ungarischer Lesart legale Anlaufstelle für Asyl-Antragsteller, die aus Serbien kommen. Illegal eingewanderte Flüchtlinge, die innerhalb eines Streifens von acht Kilometern von der serbischen Grenze entfernt in Ungarn aufgegriffen wurden, dürfen bereits seit vorigem Jahr von der Polizei zurück zur Transitzone gebracht werden - faktisch aber werden sie einfach ohne Verfahren nach Serbien abgeschoben, was die UNO seit langem kritisiert.

Diese Regelung wurde jetzt ausgeweitet: Zurück zur Grenze sollen alle Flüchtlinge gebracht werden, wo immer sie auf ungarischem Territorium der Polizei in die Hände fallen, ebenso jene Asylsuchenden, die seit längerer Zeit in Lagern innerhalb Ungarns leben. Unbegleitete Minderjährige im Alter von 14 bis 18 Jahren kommen nicht mehr in spezielle Kinderheime, sondern wie die Erwachsenen in die Container an der Grenze. Derzeit halten sich 580 Flüchtlinge in Ungarn auf, die Container sollen bis zu 300 Menschen aufnehmen können.

Einspruchsfrist aufdrei Tage verkürzt

Auch das Asylverfahren selbst wurde verschärft: Die Einspruchsfrist gegen einen abgelehnten Asylantrag wurde auf drei Tage verkürzt. Richter dürfen die Anhörung der Asylbewerber auch per Telefon durchführen. Asylbewerber, deren Antrag nach dem Einspruch erneut abgelehnt wird, dürfen zwar einen neuen Antrag stellen, haben in diesem Fall aber kein Recht mehr auf Verpflegung durch den ungarischen Staat.

Immun gegen "Geschwafelüber Menschenrechte"

All dies kommt zu den Qualen hinzu, die Flüchtlinge nach Berichten von Hilfsorganisationen ohnehin schon an der serbisch-ungarischen Grenze erleiden. Im Schnitt werden pro Tag nur zehn Flüchtlinge zu den Schaltern in den Containern vorgelassen, wo sie ihren Wunsch bekunden können, einen Asylantrag zu stellen. Zu Tausenden warten sie in überfüllten und schlecht ausgestatteten serbischen Notunterkünften auf eine Möglichkeit zur Weitereise nach Westen. Es gab Medienberichte, wonach ungarische Grenzbeamte Flüchtlinge körperlich misshandelt hätten - Budapest wies diese Vorwürfe zurück.

Orbán aber ließ am Dienstag keinen Zweifel daran, dass er sich hart durchgreifende Grenzschützer wünsche: "Kein süßliches Geschwafel über Menschenrechte" könne etwas daran ändern, dass das Gesetz für alle gelte, sagte er bei der Vereidigungszeremonie für 462 neue Hilfspolizisten im Budapester Messezentrum Hungexpo. "Wir sind jetzt unter Belagerung." Die neuen Polizisten mögen "stolz darauf sein, dass sie sich der erprobten Gemeinschaft ungarischer Krieger an den Grenzburgen anschließen können, die einer der schwersten Bedingungen standhält".

Dieser kriegerischen Rhetorik fügte Orbán eine Wiederholung seiner üblichen Angriffe auf die Europäische Union hinzu. "Auf Brüssel und die EU können wir nicht zählen, diese machen uns nur die Arbeit schwer. Wir können uns nur auf uns selbst verlassen." Europa solle endlich einsehen, dass die Migration "das trojanische Pferd des Terrorismus" sei.

Der Kommunikationschef von Orbáns Fidesz-Partei, Balázs Hidvégi, kramte in diesem Zusammenhang auch die bei allen Autokraten Südosteuropas beliebte Hassfigur des liberalen Mäzenen George Soros hervor. Die Oppositionsparteien sollen nicht "die Argumente der von György Soros unterstützten Organisationen" beachten, sondern das nationale Interesse, sagte Hidvégi vor der Abstimmung. Ohnehin gelangen wegen der mit messerscharfen Klingen ausgestatteten Zäune an den Grenzen zu Serbien und Kroatien kaum noch Flüchtlinge auf illegalen Wegen nach Ungarn. An der Grenze zu Serbien wird die Barriere nun sogar verdoppelt: Vor kurzem begannen Strafgefangene am Grenzort Kelebia, eine zweite Zaunreihe hochzuziehen.