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Handelsverträge mit Hürden

Von Martyna Czarnowska

Politik

EU-Gerichtshof ortet Mitspracherecht der Länder bei Singapur-Abkommen.


Luxemburg/Wien. Es war eines der ersten umfassenden Abkommen zum freien Handel, das die EU mit einem Partner abgestimmt hatte. Bloß: Abgeschlossen darf es nicht werden. Das geht aus einem aktuellen Gutachten des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hervor, der damit gleichzeitig die Hürden für künftige Vereinbarungen erhöht. Denn auch wenn die Prüfung der Richter in Luxemburg den Vertrag zwischen der EU und Singapur betraf, kann die Entscheidung auf spätere Abkommen ebenfalls Auswirkungen haben - nicht zuletzt auf jene mit Großbritannien.

Es geht um eine Frage, die im Vorjahr für heftige politische Turbulenzen in den Mitgliedstaaten gesorgt hat: Wer ist zuständig für den Abschluss von Freihandelsabkommen? Hatte die EU-Kommission das zunächst als ihre Kompetenz angesehen, lenkte sie später ein und räumte den nationalen Parlamenten Mitspracherecht ein. Was zu einer Blockade des Vertrags mit Kanada durch das wallonische Regionalparlament und einem wochenlangen Gezerre um die Unterzeichnung von Ceta geführt hatte.

Dass sich ein solcher Zwist wiederholt, ist nicht ausgeschlossen. Denn der EuGH stellte fest, dass das Abkommen zum Freihandel mit Singapur "in unveränderter Form nicht ohne die Mitwirkung der Mitgliedstaaten geschlossen werden kann". Zwar verfüge die Union "über eine ausschließliche Zuständigkeit" in weiten Bereichen: von Regelungen über den Marktzugang über Bestimmungen zum Schutz ausländischer Direktinvestitionen bis hin zu Vorgaben zu Informationsaustausch und Transparenz. Allerdings seien die EU-Institutionen für zwei Teile der Vereinbarung nicht allein zuständig sondern gemeinsam mit den EU-Ländern: für andere ausländische Investitionen als Direktinvestitionen - so genannte Portfolio-Investitionen - und für die Regeln zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten. Wenn die gerichtliche Kompetenz den Ländern nämlich entzogen werde, könne dies nicht ohne deren Einverständnis geschehen, argumentiert der Gerichtshof. Daher könne der Vertrag mit Singapur nur von der Union gemeinsam mit den Mitgliedstaaten geschlossen werden.

Tauziehen um Kompetenzen

Das Gutachten aus Luxemburg lässt nun all jene Skeptiker jubeln, die gegen Ceta sowie andere Freihandelsabkommen wie den transatlantischen Vertrag TTIP ins Feld gezogen waren. Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace, Globalisierungskritiker wie Attac sowie die Grünen im EU-Parlament begrüßten die Entscheidung und sprachen von einem "Sieg der Demokratie", da das Mitspracherecht der nationalen Abgeordnetenhäuser gestärkt werde.

Wirtschaftsorganisationen hingegen riefen dazu auf, "das Kompetenzgerangel in der europäischen Handelspolitik zu beenden", wie es etwa aus dem Bundesverband der Deutschen Industrie hieß. Aus der Wirtschaftskammer Österreich wiederum kam die Forderung, dass sich Europa nach der EuGH-Klarstellung wieder auf seine Stärken im Export konzentrieren müsse.

Die EU-Kommission, für die der Richterspruch einen Dämpfer bedeutet, will die Situation nun analysieren und mit den Regierungen sowie dem EU-Parlament weiterarbeiten. Handelskommissarin Cecilia Malmström freute sich aber via Kurznachrichtendienst Twitter über die "dringend benötigte Klarheit", die der Gerichtshof schaffe.

Denn dieser befand keineswegs, dass die EU-Institutionen überhaupt nicht mehr allein für internationale Handelspolitik zuständig sein dürfen. Denkbar ist beispielsweise, dass Verhandlungen geteilt werden und die Kommission weiterhin für bestimmte Bereiche die Verantwortung trägt.

Risiko für Großbritannien

Dennoch bleibt das Risiko, dass sich Gespräche um Abkommen künftig verzögern. Solche will die EU etwa mit Japan, Mexiko und dem Mercosur-Quartett aus Argentinien, Brasilien, Paraguay sowie Uruguay abschließen. Und außerdem stehen zähe Verhandlungen um eine Vereinbarung mit Großbritannien an, das die Europäische Union verlassen möchte.

Der Austritt sollte bis März 2018 erfolgen. Bis dahin will London aber parallel zu den Trennungsgesprächen auch über die künftigen Handelsbeziehungen mit dem Kontinent sprechen - was die EU an Bedingungen knüpft. Müsste das Abkommen dann von allen nationalen Parlamenten ratifiziert werden, kann das Jahre dauern.