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Es riecht nach Rebellion

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Nach der desaströsen Parteitagsrede von May machen sich 30 Tory-Abgeordnete für die Absetzung der Premierministerin stark.


London. Mehr und mehr Tories zweifeln daran, dass sich Theresa May noch lange wird halten können. Dem rechtskonservativen "Daily Telegraph" zufolge "könnte sie zu Weihnachten schon abgetreten sein". Mays Parteitagsfiasko dieser Woche hat erneut die Frage aufgeworfen, ob die britische Premierministerin von ihrer Partei zu einem raschen Rücktritt gezwungen werden sollte - oder ob sie aus eigener Einsicht aufgeben wird.

"Eine ganze Reihe von Leuten", bekannte am Donnerstag der Tory-Abgeordnete Ed Vaizey, ein früheres Regierungsmitglied, freimütig, "sind der festen Überzeugung, sie solle gehen." Immerhin habe May die Gelegenheit vertan, auf dem Parteitag dieser Woche die Tories neu aufzustellen und dem Land eine klare Richtung zu weisen. Er persönlich, sagte Vaizey, sei zutiefst "besorgt" über die Situation der Konservativen. Er finde es "zunehmend schwer, einen Weg nach vorn" zu sehen.

Angeblich haben sich inzwischen 30 Tory-Parlamentarier zur Rebellion gegen May verschworen. 48 Mitglieder der Unterhaus-Fraktion wären nötig für einen Absetzungsantrag. Alternativ könnte eine Abordnung hoher Parteikollegen - die Phalanx der sogenannten "grey suits", der grauen Anzüge - in No.10 Downing Street vorstellig werden, um May mitzuteilen, dass sie kein Vertrauen mehr genießt.

Um eine solche Aktion zu verhindern, haben sich am Donnerstag allerdings die meisten ihrer Parteigänger um die Parteichefin geschart. Komplotte gegen May seien schlicht "feige", erklärte Vaizeys Unterhaus-Kollege Mark Pritchard. Jetzt sei es an der Zeit, sich hinter May zu stellen.

Das fordern in ihren öffentlichen Äußerungen auch Mays Minister. May müsse die Partei "zusammenhalten", sie müsse erst einmal im Amt bleiben, ist der generelle Tenor. Selbst Außenminister Boris Johnson, der May so gern beerben möchte, hält sich vorsichtig zurück. Andere Top-Tories loben Mays Kampfgeist. Von Mays beispielhaftem "Sinn für Pflicht und Stärke zu Zeiten grosser Missgeschicke" spricht die Vorsitzende der schottischen Konservativen, Ruth Davidson.

May will bleiben

Als "großes Missgeschick" wird zweifellos der unselige Auftritt Mays auf dem Tory-Parteitag vom Mittwoch empfunden, bei dem ein dreister Komiker die Premierministerin während ihrer Ansprache verunsicherte, die Magnet-Buchstaben der Parteitags-Parole hinter Mays Rücken nach und nach von der Wand fielen und May selbst sich, mit versagender Stimme und zunehmend in Panik geratend, durch ihre Ausführungen quälte.

Kommentatoren waren am Donnerstag einhellig der Ansicht, dass May nun noch stärker als zuvor das Image eines kompletten Unglücksraben anhaftet. Mit der von ihr unnötig ausgerufenen Neuwahl dieses Juni, die die Konservativen ihre absolute Unterhaus-Mehrheit kostete, war die Position Mays ja bereits im Sommer deutlich ins Wanken gekommen. Die meisten Tories gingen seither davon aus, dass May bestenfalls noch bis zum Frühjahr 2019 im Amt bleiben würde - also bis zum Zeitpunkt des formellen Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU.

Sie selbst erklärte allerdings jüngst, sie wolle ihre Partei auch noch in die nächsten Unterhaus-Wahlen, die Wahlen von 2022, führen. Zusammen mit dem katastrophalen Ende des Parteitags weckte dieser Anspruch erneut Zweifel an Mays Realitätssinn. Einzelne Tory-Politiker ließen gestern privat verlauten, "besser" werde es in den nächsten Monaten mit May "ja wohl wirklich nicht werden". Man habe, seufzte ein Abgeordneter, in Manchester wohl "den vorletzten Akt einer griechischen Tragödie" erlebt.

Auch die regierungsnahe "Londoner Times" kam am Donnerstag zu dem Schluss, dass Mays "Tage gezählt" seien. Seit sie in den Brexit-Turbulenzen vorigen Jahres per Eilverfahren an die Spitze gerückt sei, habe May es an Vision und Weitblick klar fehlen lassen, urteilt das Blatt: "Wo sie jetzt ist, ist sie nur, weil es nach dem EU-Referendum des Vorjahrs keine plausiblen Alternativen gegeben hat. Und im Amt muss sie nun erst einmal bleiben, weil es immer noch keine plausiblen Alternativen gibt."