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Brüchiger Frieden

Von Alexander Dworzak

Politik

Die CSU muss beim Parteitag zwischen Seehofer- und Söder-Lager einen Ausgleich finden und mit Kanzlerin Merkel ins Reine kommen.


Nürnberg/Wien. Die CSU ist Regierungspartei und besorgt zugleich das Geschäft der Opposition. Dieses Bonmot wird selbst von bayerischen Christsozialen gerne in den Mund genommen, zielt es doch sowohl auf die Mehrheitsverhältnisse als auch die politische Kultur im Freistaat ab. Vom traditionellen Selbstbewusstsein ist wenig übrig geblieben: Die CSU hat einen Machtkampf zwischen Horst Seehofer und Markus Söder hinter sich, sie steht auf Bundesebene vor schwierigen Koalitionsgesprächen mit der SPD und die Partei bangt um ihre absolute Mandatsmehrheit bei der Landtagswahl im kommenden Herbst. Gegenüber der Schwesterpartei CDU, insbesondere deren Kanzlerin Angela Merkel, stehen statt Kraftmeierei des bajuwarischen Löwen beim Parteitag in Nürnberg sanfte Töne auf dem Programm.

Ob die CSU-Funktionäre zueinander zahm sein werden, zeigt sich am Samstag. Dann stellt sich Horst Seehofer seiner fünften Wiederwahl als Parteichef. Die jahrelangen Auseinandersetzungen zwischen ihm und Markus Söder haben starke Spuren zwischen den beiden Lagern hinterlassen - und verschwinden auch nicht, nur weil Bayerns Finanzminister im Frühjahr 2018 Seehofer als Ministerpräsidenten ablösen wird und dann als Spitzenkandidat den Landtagswahlkampf ein halbes Jahr später bestreitet.

Bei der Weihnachtsfeier der CSU schaffte es Seehofer, in seiner viertelstündigen Ansprache Söder kein einziges Mal namentlich zu erwähnen. Im Gegensatz zu Seehofer wird Markus Söder am Samstag nicht in geheimer Wahl bestimmt, sondern per Akklamation. Spannend wird, welche Granden ihre Hände nicht in die Höhe strecken oder gar gleich vor dem Votum den Saal verlassen. Söders Getreue könnten Seehofer wiederum zurechtstutzen, der Parteichef erzielte beim bisher letzten Parteitag 87,3 Prozent.

SPD stimmt Sondierung zu

Ein beschädigter Seehofer wäre jedoch derzeit nicht im Sinne seines Rivalen, schließlich wird der Noch-Ministerpräsident dringend gebraucht. Und zwar als CSU-Chefverhandler für eine Fortsetzung der großen Koalition. Die SPD-Führung sprach sich am Freitag wie erwartet für die Aufnahme von Sondierungsgesprächen mit der konservativen Union aus; diese starten laut SPD-Chef Martin Schulz Anfang Jänner. Für 14. Jänner ist ein Parteitag angesetzt. Söder hat bisher nur wenig Interesse an der Bundespolitik gezeigt, ist nun voll der Anerkennung für Seehofer: "Ich habe viel von ihm gelernt. Wenn es ernst wurde für Bayern, haben wir immer gut zusammengearbeitet."

Hingegen kritisiert Söder die Kanzlerin in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" offen. Er plädiert für Haltung anstatt asymmetrischer Demobilisierung. Denn Merkel hat sich über Jahre Themen anderer Parteien erfolgreich zu eigen gemacht - und die CDU damit konturlos. Konservative Wähler fühlen sich insbesondere seit der Flüchtlingskrise bei der Union fremd. Seehofer versuchte gegenzusteuern, griff Merkel öffentlich an. Beim CSU-Parteitag vor zwei Jahren belehrte er die Kanzlerin gezählte 13 Minuten, sie stand regungslos auf offener Bühne. Diese Demütigung blieb dem Gast Merkel am Freitag erspart.

Will die CSU erfolgreich sein, müssen die Konservativen geeint auftreten. Denn die Strategie, als Gegnerin von Merkels Flüchtlingskurs die AfD klein zu halten, ging nicht auf - auch, weil die CSU ihre zentrale Forderung nach einer Obergrenze bei der Flüchtlingsaufnahme von 200.000 Personen jährlich nicht durchsetzen konnte. Dennoch versöhnte sich Seehofer vor der Bundestagswahl mit Merkel. Die Wähler quittierten diesen Zickzackkurs: 38,8 Prozent für die CSU im Freistaat im September bedeuteten das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der Partei.

Zersplitterung wie in Berlin

Zwar haben CDU und CSU in der Migrationspolitik mittlerweile zu einer einheitlichen Linie gefunden. Doch nach der Landtagswahl in Bayern im Herbst 2018 drohen Berliner Zustände im Freistaat. Dann könnten statt bisher vier nämlich sechs Fraktionen im Münchner Maximilianeum vertreten sein: CSU, SPD, Grüne, AfD, FDP und die Freien Wähler. Das wären neben der CSU drei weitere Parteien rechts der Mitte.

Söder hat die AfD-Wähler im Blick, wenn er sagt, es müsse "auch wieder auf die einheimische Bevölkerung geachtet werden, die beim gesellschaftlichen Wandel nicht so schnell mitkommt". Der künftige Ministerpräsident ist derzeit aber nicht nur Finanz-, sondern auch Heimatminister. Dabei schreibt Söder Traditionspflege groß und will so bei den Freien Wählern punkten. Auch betont er bei jeder Gelegenheit, wie stark die CSU die digitale Infrastruktur in Bayern ausgebaut hat. Das ist ein klarer Fingerzeig an die Sympathisanten der FDP und ein Angriff auf das Steckenpferd der Liberalen im Bundestagswahlkampf.

Gegenüber der Lage im Bund genießt Söder den Vorteil, dass die CSU deutlich stärker als die CDU ist. Ein Vielfachbündnis à la Jamaika wäre in Bayern nicht notwendig. Die Partei pendelt derzeit in Umfragen um 40 Prozent. Das ist eigentlich unter ihrer Würde, aber mit einer Wiederholung des Resultats von 2013 (47,7 Prozent) rechnet niemand. Ihren bisherigen Tiefststand bei Landtagswahlen erreichte die CSU 2008 mit 43,4 Prozent. Damals teilten sich Erwin Huber als Parteichef und Günther Beckstein als Ministerpräsident die beiden höchsten Ämter auf. Wenn eine Doppelspitze kein schlechtes Omen für die Paarung Seehofer/Söder ist.