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Der Block hält

Von Konstanze Walther

Politik

Die katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter haben geschlossen einen der ihren zum Parlamentspräsidenten gekürt.


Barcelona. Am Ende hat es nicht einmal die Stimmen aus Brüssel gebraucht. Lange wurde debattiert, ob die im Exil befindlichen katalanischen Politiker bei der konstituierenden Sitzung des Regionalparlaments ihre Stimme abgeben können. Konkret wurde der Sprecher des Parlaments gewählt, der dem Parlamentspräsidium vorsitzt. Dessen Einschätzung wird schließlich entscheidend bei der Wahl des katalanischen Regierungschefs. Doch diese heiße Kartoffel wird noch ein paar Tage warten müssen.

Am Mittwoch kam nun, das erste Mal seit Madrid die Region unter Zwangsverwaltung im Herbst gestellt hatte, das katalanische Parlament wieder zusammen. Diesmal in einer neuen Zusammensetzung - es gab schließlich Neuwahlen am 21. Dezember - und mit ein paar Besonderheiten. Konkret glänzten acht der gewählten Abgeordneten durch Abwesenheit. Drei sitzen bis auf weiteres in Untersuchungshaft. Fünf sind, um der Untersuchungshaft zu entgehen, im Exil in Belgien. Auf sie ist in Spanien ein Haftbefehl ausgeschrieben.

Das Oberste Gericht hat den U-Häftlingen (Oriol Junqueras, Jordi Sànchez und Joaquim Forn), die zu Abgeordneten gewählt worden sind, nicht erlaubt, zu der konstituierenden Sitzung zu erscheinen, aber die Juristen des katalanischen Parlaments erlaubten ihnen, ihre Stimmen einer Vertrauensperson zu geben.

Wie man mit den fünf Abgeordneten verfahren würde, die sich außerhalb Kataloniens befinden - darunter der ehemalige katalanische Präsident Carles Puigdemont - darüber war man sich bis zu letzt nicht im Klaren. Schließlich verzichteten die fünf darauf, ihre Stimme abzugeben. Denn diese Schlacht wurde zugunsten der Separatisten schon im Vorfeld gewonnen. Das katalanische Wahlergebnis teilt 70 der 135 Sitze im Parlament den drei Parteien der Unabhängigkeitsbefürworter zu.

Die Unabhängigkeitsgegner hatten zwar stimmenmäßig die Mehrheit erzielt, aber das Wahlrecht gewichtet Stimmen in ländlichen Regionen stärker gegenüber jenen in Ballungszentren. Im Ergebnis haben die Unabhängigkeitsgegner weniger Sitze im Parlament. Und sie haben - was im Falle des Parlamentspräsidiums ausschlaggebend war - untereinander keine Einigkeit. Denn die linkspopulistische Bewegung CatComú-Podem wollte mit ihren acht Sitzen nicht den Kandidaten der größten Partei der Unabhängigkeitsgegner, den liberalen Ciutadans, unterstützen.

So wurde schließlich am Mittwoch nach drei Wahldurchgängen der Kandidat der Separatisten mit einer Mehrheit von 65 Stimmen - des gesamten separatistischen Spektrums - gewählt. Neun Stimmen wählten weiß. 56 wählten für den Gegenkandidaten.

Damit ist der 38-jährige Roger Torrent von der drittstärksten Partei Esquerra Republicana (ERC) neuer Parlamentspräsident. Er löst damit seine Parteikollegin Carme Forcadell in dieser Funktion ab, die zwar gegen Kaution aus der U-Haft entlassen wurde, aber gegen die weiterhin ein Verfahren wegen Aufruhr anhängig ist. Beobachter gehen davon aus, dass Forcadell die Funktion des Parlamentspräsidenten auch deswegen abgetreten habe, weil sie bei dem kleinsten Anschein des neuerlichen Vorantreibens der Unabhängigkeit wieder festgesetzt werden könnte. Ihr wird, wie den anderen Mitgliedern der abgesetzten katalanischen Regierung, Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung vorgeworfen.

Parlamentspräsidium schlägt Regierungschef vor

Torrent gab sich in seiner Antrittsrede konzilianter, als man es von Forcadell gewöhnt war. Sie hatte bei ihrer letzten Antrittsrede "Es lebe die Republik" gerufen. Der Politikwissenschafter Torrent ließ hingegen bloß "die Demokratie" und "Katalonien" ohne den Zusatz der Staatsform hochleben.

Das Parlamentspräsidium wird nun formal einen Präsidenten, also Regierungschef vorschlagen. Die Frist läuft bis 31. Jänner. Und die alles entscheidende Frage lautet: Wird es wieder Puigdemont, auch wenn er nur per Videoschaltung zugeschaltet ist? Torrent hatte zuletzt gesagt, er würde der Wahl Puigdemonts nur zustimmen, wenn die Juristen des Regionalparlaments damit kein Problem hätten. Die hatten sich zuletzt tendenziell für eine Präsenzpflicht bei der Angelobung ausgesprochen. Und die separatistische Kleinpartei CUP hat ihre Unterstützung Puigdemonts davon abhängig gemacht, wie er mit dem Korruptionsurteil gegen die Convergència umgeht. Die Convergència ist die Vorgängerpartei von Puigdemonts PDeCat. Ein Richter sah es diese Woche als erwiesen an, dass die sich Convergència 6,6 Millionen Euro illegaler Parteifinanzierung zu Schulden kommen hat lassen (die "Wiener Zeitung" berichtete).