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Professor gegen Volkstribun

Von Klaus Huhold

Politik

Präsidenten-Stichwahl ist ein Duell der Gegensätze. Demoskopen sagen ein enges Rennen voraus.


Prag/Wien. Er hätte zwar einen Schaukelstuhl zu Hause und auch jede Menge Bücher, die er lesen wolle. Trotzdem möchte Tschechiens Präsident Milos Zeman nicht in Pension gehen. Ganz im Gegenteil: Der 73-Jährige bewirbt sich um noch eine Amtszeit. Und er hat gute Chancen, für weitere fünf Jahre das Präsidentenbüro am Hradschin, der Prager Burg, zu beziehen. Die Umfragen sehen ihn fast gleichauf mit seinem Herausforderer, dem Universitätsprofessor Jiri Drahos.

Die Tschechen wählen am Freitag und Samstag ein neues Staatsoberhaupt. Die Stichwahl ist ein Duell der Gegensätze. Auf der einen Seite steht mit Amtsinhaber Milos Zeman ein mit allen Wassern gewaschener Polithaudegen, der gerne poltert und provoziert, der es versteht, in Bierstuben als Volkstribun aufzutreten. Auf der anderen Seite steht mit Jiri Drahos ein Politneuling, der zurückhaltend und ruhig argumentiert und dessen Heimat bis vor kurzem der universitäre Hörsaal war.

Das zeigte sich auch beim ersten TV-Duell der beiden Kontrahenten Dienstagabend. Es war zu merken, dass Zeman wesentlich mehr Erfahrung auf diesem Terrain besitzt. Er agierte abgeklärter. Drahos hingegen wirkte manchmal etwas nervös. Allerdings ließ er sich nie von Zeman aus der Reserve locken, blieb seinem professoralen Stil treu. Zeman habe zwar gewonnen, aber Drahos auch nicht verloren, schrieb die Zeitung "Dnes" in ihrer Onlineausgabe, und das fasst den Tenor der Kommentare in den tschechischen Medien zusammen.

Am Donnerstag gibt es noch ein zweites Duell, wie sehr sich diese öffentlichen Auseinandersetzungen auf das Wahlergebnis auswirken werden, lässt sich schwer abschätzen. In der ersten Runde lag der frühere Sozialdemokrat Zeman noch mit 38,6 Prozent der Stimmen vorne, während der parteilose Drahos mit lediglich 26,6 Prozent auf Platz zwei kam. Für den zweiten Durchgang favorisieren aber viele Demoskopen Drahos. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Stem/Mark zufolge liegt der Chemiker mit 47 Prozent Zustimmung vor Zeman, auf den demnach 43 Prozent entfallen.

Denn Drahos hat viel Unterstützung erhalten, hinter ihm stehen fast alle im ersten Durchgang gescheiterten Kandidaten und auch viele Medien. Allerdings liegt das oft weniger an Drahos selbst als vielmehr daran, dass der 68-Jährige der Gegenpol zu Zeman ist, der das Nachbarland polarisiert.

So haben die beiden auch eine entgegengesetzte Amtsauffassung. Während Zeman bei innenpolitischen Konflikten oft Partei bezogen hat und Teil des Streits war, hat Drahos angekündigt, dass er als Präsident mehr als Vermittler und Moderator agieren möchte.

Regierung von Babis istam Mittwoch zurückgetreten

Im heftigsten innenpolitischen Streit hat Drahos aber bereits eine klare Meinung geäußert. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein strafrechtlich verfolgter Mensch Premier ist", sagte er.

Das ist eine Anspielung auf Andrej Babis. Der Unternehmer und Milliardär hatte mit seiner populistischen Bewegung ANO die Parlamentswahlen im Herbst vergangenen Jahres klar gewonnen. Allerdings hat die Polizei Korruptionsermittlungen gegen Babis eingeleitet. Deshalb wollen die anderen Parteien ihn nicht zum Premier machen. Zeman hatte den zweitreichsten Mann des Landes trotzdem zum Ministerpräsidenten ernannt und mit der Regierungsbildung beauftragt. Dessen Minderheitskabinett hat aber die Vertrauensabstimmung im Parlament verloren, weshalb die Regierung am Mittwoch ihren Rücktritt eingereicht hat.

Zeman hat angekündigt, dass er Babis erneut mit der Regierungsbildung betrauen wird - der Präsident schielt damit auf die Wähler von ANO. Immerhin hat die Partei bei der Parlamentswahl 30 Prozent der Stimmen erhalten und Babis hat auch offen seine Sympathien für Zeman bekundet. Drahos wiederum kann sich zwar durchaus vorstellen, dass ANO die künftige tschechische Regierung führt, nur soll der Premier nicht Babis heißen.

Auch inhaltlich liegen Drahos und Zeman oft weit auseinander: Der Amtsinhaber nimmt eine freundliche Haltung gegenüber China und Russland ein, während Drahos Tschechien ganz klar im Westen, in der EU und in der Nato, verankert sieht. In der Flüchtlingsfrage spricht Zeman von einer "Invasion", Drahos hat hingegen einen humanen Umgang mit Asylwerbern gefordert.

Genau hier versucht das Lager von Zeman, den Herausforderer nun festzunageln. "Stopp für Immigranten und Drahos. Das ist unser Land! Wählt Zeman!", war in Zeitungsinseraten zu lesen, die vom "Verband der Freunde von Milos Zeman" in Auftrag gegeben wurden. Auch im TV-Duell warf Zeman seinem Kontrahenten vor, eine zu offene Haltung in der Flüchtlingsfrage zu zeigen. Drahos antwortete, dass ihn der Präsident falsch interpretiere. Auch er sei gegen die - in Tschechien höchst unpopulären - EU-Flüchtlingsquoten. Die EU müsse aber den Flüchtlingen in ihren Herkunftsländern helfen.

Obwohl Tschechien von den Flüchtlingsbewegungen in den vergangenen Jahren kaum betroffen war, wird dieses Thema heftig debattiert. Zeman versucht nun über diese Schiene, seine Sympathisanten dazu zu bewegen, tatsächlich zur Wahl zu gehen. Die Kandidaten liegen nämlich von ihrem Auftreten, ihrer Persönlichkeit und ihren Ansichten so weit auseinander, dass es nur wenige unentschlossene Wähler gibt. Tschechien ist gespalten. Drahos hat vor allem den urbanen, liberalen und auch wohlhabenderen Teil des Landes hinter sich, während Zeman besonders am Land, bei älteren und auch ärmeren Bürgern punktet. Das Votum wird daher wohl derjenige gewinnen, der seine potenziellen Wähler stärker mobilisieren kann.