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Merkel macht der CSU den Alleingang schwer

Von Alexander Dworzak

Politik

Die deutsche Kanzlerin kann Vereinbarungen über die Rücknahme von Migranten vorweisen, am Wochenende tagen die Parteigremien.


Brüssel/Berlin/Wien. Von Vorhinein war klar, dass der EU-Gipfel keinen gesamteuropäischen Durchbruch in Migrationsfragen bringen wird, die seit Jahren ungelöst sind. Wenn Angela Merkel von "europäischen" Lösungen sprach, meinte die deutsche Kanzlerin stets bi- oder multilaterale Abkommen mit Ländern zur Rücknahme von Asylwerbern, die bereits dort registriert waren, aber nach Deutschland weitergezogen sind.

Insofern hat Merkel nun geliefert. Sie soll mit bis zu einem Dutzend Staaten grundsätzliche Übereinkunft erzielt haben. Offiziell gemacht wurden Vereinbarungen mit Spanien und Griechenland, beide Staaten nehmen Personen zurück, die an der deutsch-österreichischen Grenze aufgehalten werden. Binnen vier Wochen würden die Einzelheiten vereinbart. Eine Einigung mit Italien erzielte Merkel jedoch nicht.

Merkel will dem Vernehmen nach ausgerechnet Horst Seehofer beauftragen, die Abkommen auszuarbeiten. Er soll auch Verwaltungsvereinbarungen an "mit einer Vielzahl von Ländern" erzielen. Indem Merkel ihrem Innenminister diese Arbeit aufhalst, versucht sie ihn innenpolitisch ein Stück weit aus der Debatte zu nehmen. Der CSU-Chef hat für eine veritable Krise zwischen der CDU und ihrer bayerischen Schwesterpartei gesorgt. Er verlangt, bereits in einem anderen EU-Land registrierte Asylweber sollen in einem nationalen Alleingang an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden.

Sowohl Merkel als auch die CSU können den elften der zwölf Punkte umfassenden Gipfelerklärung für sich in Anspruch nehmen. Dort heißt es über die Binnenwanderung der Asylwerber: "Die Mitgliedstaaten sollten alle erforderlichen internen Rechtsetzungs- und Verwaltungsmaßnahmen gegen diese Migrationsbewegungen treffen und dabei eng zusammenarbeiten." Auf den letzten Teil des Satzes würde die Kanzlerin Wert legen. Merkel-Kritiker Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Bundestagsabgeordneten, sieht hingegen eine Bestätigung für Alleingänge. "Ich stelle fest, dass zur Vermeidung von Sekundärmigration das Ergreifen von nationalen Maßnahmen ausdrücklich im Ratspapier vorgesehen ist." Zurückweisungen an der Grenze sind zwar nicht explizit genannt. Was aber unter "allen erforderlichen" Maßnahmen zu verstehen ist, darüber lässt sich trefflich streiten.

Gelegenheit dazu bestand bereits am Freitagabend, dann informierte Merkel die Koalitionspartner SPD und CSU über die Ergebnisse aus Brüssel. Am Wochenende tagen CDU und CSU getrennt, am Montag steht ein Treffen der Fraktion auf dem Programm. Die galligen Bemerkungen zwischen Berlin und München sind in den vergangenen Tagen moderaten Tönen gewichen. In der Sache hat die CSU bisher aber nicht klein beigegeben. Noch immer steht die Drohung der Grenzzurückweisung im Raum. Darauf würde wohl Seehofers Entlassung durch Merkel folgen, was den Bruch der Fraktionsgemeinschaft zwischen CDU/CSU und Neuwahlen wahrscheinlich machen würde.

Die Obersten in der CSU spielten nach dem EU-Gipfelbeschluss auf Zeit. Parteichef Seehofer gab kein Statement ab. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte, er wolle die Ergebnisse "in Ruhe vernünftig bewerten". Ein anderer hochrangiger CSU-Politiker sandte Worte des Ausgleichs, Parteivize Manfred Weber: "EU-Gipfel hat einen großen Schritt hin zu einer besseren Migrationspolitik gemacht", twittere Weber, der auch Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament ist. Merkel machte deutlich, sie sehe ihre Verhandlungsergebnisse mehr als "wirkungsgleich" zu den von der CSU geforderten Zurückweisungen an. Die CSU wird für sich reklamieren, erst ihr Druck auf Merkel hätte die Erfolge auf europäischer Ebene bewirkt.

Unter den Deutschen findet Seehofers Vorstoß bei 58 Prozent Zustimmung, 36 Prozent lehnen diesen laut Umfrage für das ZDF-Politbarometer ab. Gleichzeitig meint eine überwältigende Mehrheit, das Flüchtlingsproblem in Deutschland könne nur zusammen mit den anderen Ländern der EU gelöst werden. 91 Prozent stimmen dieser Aussage zu. Lediglich sieben Prozent befürworten einen Alleingang.