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Schwedens Schmuddelkinder werden salonfähig

Von Ronald Schönhuber

Politik

Die rechtsnationalen Schwedendemokraten dürften bei der Wahl zumindest 20 Prozent holen.


Stockholm/Wien. Das Bild, das in dem dreieinhalb Minuten dauerenden Video gezeichnet wird, ist düster. Im fahlen Mondlicht sind endlose Reihen uniformer grauer Wohnblocks zu sehen, in denen wohl niemand leben möchte. Dann folgen Autos und Gebäude, die in Flammen stehen und schließlich Polizisten, die mit Sturmgewehren, schusssicheren Westen und Gasmasken durch die Straßen fahren. Dazwischen eingestreut gibt es immer wieder Bilder von verängstigt oder verzweifelt wirkenden Menschen.

Was über weite Strecken wie ein Endzeit-Film anmutet, ist allerdings ein Wahlkampf-Video. Mit dessen Hilfe wollen die Schwedendemokraten vor Augen führen, was der Zuzug von Migranten und Flüchtlingen ihrer Ansicht nach aus dem ehemaligen Vorzeigestaat Schweden gemacht hat. "Wir haben ein Land geschaffen, in dem Familien zum Umzug gezwungen werden, weil sie sich nicht mehr sicher fühlen und Menschen sterben, während sie auf ihre medizinische Behandlung warten", erklärt die sonore Stimme des Sprechers im Video.

Rechte Königsmacher

Der düsteren Bestandsaufnahme der Schwedendemokraten stehen zwar viel wirtschaftliche und soziale Indikatoren entgegen. So zählt das Land noch immer zu den reichsten der Welt, die Arbeitslosigkeit hält sich mit rund sechs Prozent in Grenzen und auch die Wirtschaft läuft mit einem BIP-Zuwachs von zuletzt 2,4 Prozent eigentlich gut.

Doch eine Woche vor der Parlamentswahl am 9. September ist auch unübersehbar, dass die Botschaft der Schwedendemokraten in den vergangenen Jahren immer stärker verfangen hat. Denn wenn die Umfragen stimmen, wird die 1988 gegründete Partei, die vor acht Jahren noch euphorisch ein Ergebnis von 5,7 Prozent und ihren erstmaligen Einzug in den Reichstag bejubelte, diesmal so stark wie noch nie abschneiden. Selbst Platz eins ist für die Schwedendemokraten, die derzeit mit knapp unter 20 Prozent gleichauf mit den bürgerlich-konservativen Moderaten liegen, nicht völlig ausgeschlossen, denn die Sozialdemokraten von Ministerpräsident Stefan Löfven liegen mit 25 Prozent fast schon in Reichweite.

Doch selbst wenn die Schwedendemokraten am 9. September unter 20 Prozent bleiben sollten, werden die Rechtsnationalen, die Löfvens rot-grüne Minderheitsregierung beim Migrationsthema schon in den vergangenen Jahren vor sich hergetrieben haben, künftig wohl noch einen viel stärkeren Einfluss auf die Regierungspolitik besitzen. Denn aufgrund der zu erwartenden Mehrheitsverhältnisse im Reichstag gibt es eigentlich keine Koalitionsvariante, in der die Regierungsparteien nicht auf die Duldung durch die Schwedendemokraten angewiesen sind. "Die Hoffnung der anderen Parteien, dass wir wieder verschwinden werden und alles zur alten Ordnung zurückkehrt, hat sich nicht erfüllt. Wir sind da", sagt Parteichef Jimmie Akesson.

Dem 39-Jährigen haben die Schwedendemokraten zu verdanken, dass sie in der Wählergunst heute dort stehen, wo sie stehen. Als Akesson der Partei im Jahr 1995 beitrat, waren die Schwedendemokraten vor allem eine Ansammlung von Ewiggestrigen und Mitgliedern der rechtsextremen Szene. Der frühere Parteichef Anders Klarström war zuvor etwa bei der offen neonazisitischen "Nordischen Reichspartei". Unter Akessons Führung wurde in der Partei allerdings aufgeräumt. Der Einfluss des harten rassistischen Kerns wurde massiv zurückgedrängt, eine Blume löste die brennende Fackel als Parteisymbol ab. "Akesson verkörpert den Wandel der Partei von Bomberjacken und Stahlkappen-Stiefeln hin zu Anzugträgern", sagt der schwedische Politologe Jonas Hirnfors gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Nicht geändert hat sich unter der Führung von Akesson, der in der Öffentlichkeit eher ruhig denn laut polternd auftritt, freilich die Ablehnung von allem Fremdem. Schon vor Jahren bezeichnete der Parteichef den Islam als "größte Bedrohung aus dem Ausland nach dem Zweiten Weltkrieg".

Geprobte Annäherung

Im aktuellen Wahlkampf macht sich die Partei, die Mitte-Politiker ebenso wie Journalisten immer wieder kollektiv als Lügner bezeichnet, vor allem dafür stark, überhaupt keinen Asylwerber mehr in Schweden aufzunehmen. Flüchtlinge, die bereits im Land sind, sollen zudem mit Finanzhilfen zu einer Rückkehr in ihre Heimat bewegt werden.

Das Programm der Schwedendemokraten ist damit vor allem als radikaler Kontrapunkt zu den Entwicklungen des Jahres 2015 zu verstehen. Bevor die rot-grüne Minderheitsregierung vor zweieinhalb Jahren schließlich die Regeln verschärfte, waren in zwölf Monaten nicht weniger als 163.000 Asylwerber nach Schweden gekommen. Umgerechnet auf die Einwohnerzahl hat das Land damit mehr als zweieinhalbmal so viele Flüchtlinge aufgenommen wie Deutschland.

Ein Minderheitenprogramm stellt die Forderung nach einer völligen Schubumkehr in der Migrationspolitik allerdings schon längst nicht mehr dar. So haben sich vor allem die Moderaten in den vergangenen Monaten deutlich an die Rechtsnationalen angenähert, in ihrem Programm heißt es nun "die derzeitigen Integrationsprobleme benötigen für viele Jahre eine stramme, verlässliche und rechtssichere Einwanderungspolitik". Die einstigen Schmuddelkinder Schwedens sind also salonfähig geworden.