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Plastik auf dem Runden Tisch

Von Petra Tempfer

Politik

Auch nach dem ersten Treffen der Regierung mit Betroffenen scheinen Österreichs Ziele unerreichbar.


Wien. Stoffsackerl, Papiersackerl, Strohkörbe, Trolleys: Alternativen zum Plastiksackerl gäbe es viele. Welche die beste ist beziehungsweise wie man Plastik umgehen kann, das will die österreichische Bundesregierung nun mit den Handelsvertretern, der Industrie, Wissenschaft, Umweltschutzorganisationen und Zivilgesellschaft erarbeiten. Vor etwas mehr als einem Monat, konkret am 5. Dezember, hat der Ministerrat das Plastiksackerlverbot sowie das Verbot der Beimengung von Mikroplastikpartikel in Kosmetikprodukten und Reinigungsmitteln ab 2020 beschlossen.

Außerdem soll die EU-Einwegplastik-Richtlinie von 2018, wonach Kunststoff-Wegwerfprodukte wie Strohhalme verboten werden sollen, rasch umgesetzt werden. Weiters sollen bis 2025 nachweislich 20 bis 25 Prozent der Plastikverpackungen reduziert werden. Am Dienstag gab es im Bundeskanzleramt den ersten Runden Tisch mit den Betroffenen dazu. Die Wasserflaschen auf diesem waren übrigens aus Glas. Österreichs Ziele scheinen dennoch nach wie vor unerreichbar.

"Mehrweg ist das Schlüsselwort"

Den Wirtschaftsstandort zu stärken - die Basis für einen finanzierbaren Sozialstaat -, sei genauso wichtig, wie nachhaltig mit den Ressourcen umzugehen, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) unmittelbar nach dem Runden Tisch vor Journalisten. Es gehe darum, "gegen die Wegwerfgesellschaft anzukämpfen". "Mehrweg ist das Schlüsselwort", ergänzte Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP). Das Plastiksackerl einfach durch andere Materialien zu ersetzen, die ebenfalls die Umwelt belasten, sei jedenfalls wenig sinnvoll, so Regierungskoordinator Norbert Hofer (FPÖ).

Und selbst der Handel, der anfangs noch genauso wie die Kunststoffindustrie gegen das Plastiksackerlverbot protestiert hatte, schlug nach dem Runden Tisch ganz andere Töne an. "Das Verbot unterstützen wir in der Sache", sagte Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will - wenngleich die Frist bis 2020 "knackig" sei. Allerdings sollte man für mehr Wettbewerbsfairness sorgen, indem man auch Internet-Händler und Marktplätze regulatorisch miteinbeziehe. "Es wäre unverständlich, wenn das Verbot nur jene belastet, die Wertschöpfung und Beschäftigung in Österreich sicherstellen, aber die digitalen Player außen vor lässt."

Wie konkret man das bewerkstelligen möchte, das können im Moment allerdings weder Handel noch Politik beantworten - hier gehe es um eine europäische Lösung, so der Tenor. Tatsache sei jedoch, so Will, dass viele Online-Händler aus Drittstaaten kein Entpflichtungsentgelt für ihre nach Österreich gelieferten Verpackungen zahlten, obwohl sie dazu gesetzlich verpflichtet wären. Eine strengere Ahndung wäre laut Will daher wichtig.

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Die Kunststoffindustrie steht dem Plastiksackerlverbot indes noch immer kritisch gegenüber. Sie sei sich der Problematik von Plastik in der Umwelt zwar bewusst, sagte Sylvia Hofinger, Geschäftsführerin des Fachverbands der Chemischen Industrie Österreichs - eine Tragtasche aus Papier müsste man allerdings laut einer britischen Studie dreimal so häufig benutzen wie ein Plastiksackerl, um eine niedrigere CO2-Bilanz zu erreichen. Das sei jedoch schwer möglich, weil Papier nicht so reißfest wie Kunststoff sei. Alternativen zu Kunststoff wie eben Papier, Glas oder Aluminium seien in der Herstellung zudem energieintensiver. Die mehrmalige Verwendung von Plastiksackerln ist laut Hofinger daher die sinnvollste Lösung, um der Umwelt Gutes zu tun.

Die Umweltschutzorganisationen selbst begrüßen zwar das Bekenntnis der Bundesregierung, gegen Plastik aktiv zu werden, Greenpeace etwa vermisst jedoch konkrete Vorschläge, wie ein Viertel des Verpackungsmülls bis 2025 reduziert werden soll. Lisa Kernegger von Global 2000 sprach sich im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" für eine verbindliche Mehrwegquote aus. Diese sei sogar gesunken: Lag der Mehrweganteil bei Getränkeverpackungen im Jahr 2000 noch bei 60 Prozent, habe er sich aktuell bei etwa 20 Prozent eingependelt.

7000 Tonnen Sackerl pro Jahr

Die Idee eines Plastiksackerlverbots war nicht neu - Ziele, die sich Österreich schon vor Jahren gesetzt hatte, werden aber trotz Plastik-Gipfel wohl dennoch nicht erreicht. Im Frühling 2015 hatte das Europaparlament eine EU-Richtlinie angenommen, die den Verbrauch von Plastiksackerln mindern sollte. Für die EU-Staaten bedeutete das einen verpflichtenden Maximalverbrauch von 90 Plastiksackerln pro Person bis 2019 sowie das Ende der kostenlosen Abgabe bis Ende 2018.

Österreich schloss in diesem Sinne 2016 unter Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) einen freiwilligen Pakt mit Unternehmen wie der Rewe Group, Spar und Hofer sowie NGOs: Dieser sah unter anderem die Halbierung des Tragetaschenverbrauchs von 50 auf 25 Stück pro Person bis 2019 im Vergleich zu 2014 vor. Seit 2018 dürfen auch keine Gratis-Plastiksackerl mehr im Kassenbereich aufliegen.

Von der Halbierung ist man allerdings noch einiges entfernt. Denn wurden 2014 pro Person rund 63 Plastiksackerl abgegeben, waren es 2017 noch immer knapp 49, so die Zahlen der Unternehmen. Die Vorgaben der EU-Richtlinie mit der Senkung des Maximalverbrauchs auf 90 Plastiksackerl pro Person bis 2019 werden indes leicht erfüllt.

Aktuell fallen jährlich noch immer zwischen 5000 und 7000 Tonnen Plastiksackerl unterschiedlicher Dicke an, so das Umweltministerium. Diese landen mitunter in der Donau - pro Tag würden von dieser mehr als 100 Kilogramm Plastik weitertransportiert, heißt es.

In Italien gibt es übrigens schon seit 2011 ein Verbot für Sackerl, die nicht biologisch abbaubar sind. In Frankreich sind diese seit 2016 verboten. Weitere generelle Verbote gibt es unter anderem in Bangladesh, Buthan und Marokko.