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Das große Fressen

Von Bernd Vasari

Politik

Mit Sarah Wiener setzt die grüne Parteispitze auf das Thema Ernährung. Dagegen regt sich Unmut an der Basis.


Wien. So ganz geheuer war es Werner Kogler dann doch nicht, dass er den Platz an der Sonne nun mit einer prominenteren Person teilen muss. "Ich darf an dich, liebe Sarah, übergeben", sagte der grüne EU-Spitzenkandidat bei der sonntägigen Präsentation der grünen Neuerwerbung. Mit einem knappen "Danke Werner" antwortete Sarah Wiener, wollte ihren Platz am Stehtisch mit den Mikrofonen einnehmen. In diesem Moment verlagert Kogler sein Gewicht in ihre Richtung, hält sich weiterhin am Tisch fest. Eine kurze intuitive Gewichtsverlagerung, jedoch mit hoher symbolischer Bedeutung. Wiener bleibt der Platz am Rand. Kogler gibt ihr klar zu verstehen: Sie ist die Bekanntere, er ist der Chef.

Doch es geht nicht nur um Eitelkeiten und Machtspiele. Sarah Wieners Kandidatur für den zweiten Listenplatz der Grünen bei der kommenden EU-Wahl am 26. Mai wirft auch grundlegendere Fragen der Grünen auf. Einer Partei, die für Überzeugungen, Inhalte und Werte gewählt wird.

Sarah Wiener machte deutlich, dass für sie nur eines zählt: "Zuerst kommt das Fressen, dann kommt alles andere." Sie wolle sich im EU-Parlament für nachhaltige Landwirtschaft und gesunde Ernährung einsetzen. Den Grünen werde sie dafür aber nicht beitreten: "Es geht nicht um einen Parteizettel", betont sie. Ein Satz, der in der basisorientierten Partei für Unruhe sorgt. "Sie suggeriert damit, dass sie zwar für uns kandidiere, aber mit uns nichts zu tun haben will", sagt eine grüne Insiderin.

"Weniger Show, sondern mehr Inhalt"

Die erste namentliche Kritik formulierte am Montag Martin Margulies, dritter Wiener Landtagspräsident, grünes Urgestein. Auf Facebook lässt er seinem Ärger freien Lauf. Er hätte sich weniger Show, sondern mehr Inhalt gewünscht, schreibt er über die Promikandidatin. Die von Wiener ausgerufene "Ernährungswende" sei nicht das wichtigste Thema. Besser wäre es gewesen, auf Herausforderungen wie Entsolidarisierung mit den Ärmsten sowie Nationalismus und Rassismus zu setzen.

Die Wahl auf Sarah Wiener fiel durch die Parteispitze, darunter Nina Tomaselli, stellvertretende Bundessprecherin und Parteivorständin. "Sarah Wiener steht voll und ganz hinter den grünen Werten", sagt sie. Ob es ein Problem sein könnte, dass ihr das politische Rüstzeug fehlt? "Nein, Sarah Wiener ist eine hochpolitische Frau", antwortet Tomaselli.

Sarah Wiener führt mehrere Unternehmen, schreibt Kochbücher, dreht Fernsehfilme. Ob da noch viel Zeit für Politik bleibt? "Es ist alles nur eine Sache der Organisation", sagt Tomaselli.

Vor vier Jahren kündigte Daimler Sarah Wieners Firma als Kantinenbetreiber wegen Verstoßes gegen das Arbeitsrecht. Wieners Mitarbeiter sollen mehr als die erlaubten zehn Stunden täglich gearbeitet haben. Tomaselli: "Sarah Wiener sagte, dass sie sofort reagiert hat, sobald sie davon erfuhr. Und das glaube ich ihr."

"Grüne müssen Überzeugungsarbeit leisten"

Es gehe für die Grünen nun darum, Übersetzungsarbeit zu leisten, analysiert Politologe Peter Hajek. "Sie müssen die Fragezeichen der Wähler auflösen, warum Sarah Wiener für das EU-Parlament antritt." Abgesehen vom Thema Ernährung fehle der inhaltliche Kontext, warum eine prominente Köchin für die Grünen antritt. Noch dazu, wo sie eigentlich in Deutschland lebt. Ob Sarah Wiener Wähler binden könne, die über die klassische Grünwählerschaft hinaus gehe, sei noch schwierig zu beantworten.

Erfahrungen mit Promis im EU-Parlament haben die Grünen. Schauspielerin Mercedes Echerer war Mandatarin von 1999 bis 2004. Auch sie trat nicht der Partei bei. Nach nur einer Periode legte sie ihr Mandat wieder zurück: "Österreich hat es noch immer nicht verstanden, welche Bedeutung die EU-Abgeordneten eigentlich haben", sagte sie damals dem "Standard". Weder sei die Vernetzung der Abgeordneten optimal, noch werde von der nationalen Politik die Brisanz gewisser Themen im EU-Kontext erkannt.

Ob Wiener es überhaupt in das EU-Parlament schaffen wird, ist fragwürdig. Politologe Peter Hajek sieht zwar gute Chancen, dass die - österreichischen - Grünen in das EU-Parlament einziehen werden. Das zweite Mandat werde aber unglaublich schwer zu erreichen sein. Die Chancen sind also sehr gering, dass Sarah Wiener gemeinsam mit Kogler nach Brüssel geht. Den Tisch wird er dann nicht mehr teilen müssen.