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Auch nach Neuwahlen ist die FPÖ keine Option mehr

Von Simon Rosner

Politik

Wenn Sebastian Kurz bei Neuwahlen auf blaue Wähler abzieht, könnten ihm dies mögliche Koalitionspartner übel nehmen.


Wien. Neuwahlen also. Und jetzt? Im Herbst 2017 hatte Wahlgewinner Sebastian Kurz die "nukleare Option" gezogen: eine Koalition mit der FPÖ. Zweimal in der Zweiten Republik hatten die Blauen mitregiert, einmal mit Rot, einmal mit Schwarz. Beide Male hatte es in einer vorzeitigen Koalitionsschmelze geendet. 1986 beendete Jörg Haiders Machtübernahme die Koalition mit der SPÖ, 2004 spaltete sich die FPÖ selbst, Kanzler Wolfgang Schüssel verlor zwei Jahre darauf das Kanzleramt.

Kurz versuchte es diesmal in der Variante Türkis-Blau, doch es funktionierte wieder nicht. Diesmal kam das Ende nach etwas weniger als zwei Jahren durch ein geheimes, auf Ibiza aufgenommenes Video. Die Affäre beendete aber nicht nur die dritte Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen, sondern nimmt die FPÖ auch allen Gedankenspielen für die kommende Regierung heraus. Selbst wenn es zu einer komplett neuen Aufstellung im personellen Bereich kommen sollte.

Wohin zieht es die blauen Wähler?

Wesentlich wird sein, wie die blauen Wähler reagieren wird. Bleiben sie daheim? Halten sie der FPÖ die Treue? Verteilen sich viele Stimmen auf andere Parteien? Oder kann zum Beispiel Sebastian Kurz, ähnlich wie einst Schüssel, einen beträchtlichen Teil der blauen Wählerschaft zu sich holen? Letzteres wäre durchaus denkbar, Kurz' Popularitätswerte sind nach wie vor hoch, auch unter FPÖ-Wählern. Zuletzt bediente er sich sogar viel beachteter Weise klassischer FPÖ-Rhetorik im EU-Wahlkampf ("Regulierungswahnsinn").

Doch Wahlen zu gewinnen, ist nur der eine Teil der Übung. Zum Regieren braucht es auch Partner (sieht man von der unrealistischen Option einer absolute Mehrheit ab). Gewinnt Kurz tatsächlich entscheidend dazu, könnte im Herbst – und anders als 2017 – eine kleine Partei die koalitionäre Ergänzung darstellen, zum Beispiel die Neos. Das liegt grundsätzlich nahe, wirtschaftspolitisch gibt es zwischen Türkis und Pink kaum Schwierigkeiten.

Porzellan zerschlagen

Doch in den vergangenen Jahren ist viel zerschlagen worden zwischen jenen Parteien, die vor nicht allzu langer Zeit sogar an eine gemeinsame Liste gewerkt hatten. Und genau das würde eher nicht besser werden, würde Kurz im Wahlkampf zu sehr auf die blaue Karte und also das Migrationsthema setzen. Freilich, eine Regierungsbeteiligung würden sich die Neos kaum entgehen lassen, Pink verfügt über ausreichend Pragmatismus dafür.

Die Frage ist aber: Wie werden die einst blauen Wähler reagieren, die ihre Stimme Kurz quasi geborgt haben, wenn es bei so einer Koalition zu doch harten Reformen unter Türkis-Pink käme? Denn anders als jetzt würden die Neos nicht akzeptieren, dass das Migrationsthema in der Dauerschleife als Hintergrundmusik mitläuft, um die Aufmerksamkeit der Wähler umzulenken. Das könnte eine ÖVP-Neos-Variante zu einer kurzen Amtszeit verhelfen, wie das auch bei ÖVP-BZÖ der Fall war.

Die SPÖ wäre 2017 die einzig andere Option für Kurz gewesen, neben Blau, und arithmetisch wird sich eine rot-schwarze Variante im Herbst 2019 wohl mit Sicherheit auch wieder ausgehen. Aber ist es machbar mit diesem Personal? Wenn jemand aus der türkisen Parteispitze über die SPÖ spricht, geht der Blutdruck merklich in die Höhe. Nicht anders ist es auf Seiten der Roten. Klar, so eine Koalition ist kein Liebesverhältnis, doch 2017 waren sich so gut wie alle Beobachter einig, dass das Verhältnis so zerrüttet sei, dass die Große Koalition für mindestens zwei Legislaturperioden tot ist.

SPÖ hat interne Schwierigkeiten

Das kann sich natürlich durch die Ibiza-Affäre verändert haben, und es müsste sich auch in dem Fall verändern, sollte sich etwa Türkis-Neos und/oder eine Variante mit Grün rechnerisch nicht ausgehen im Herbst. In so einer Situation wäre die Alternative zu ÖVP-SPÖ nur eine Minderheitsregierung, die die österreichische Politik wie der Teufel das Weihwasser scheut. Und auch Kurz hat in seinem Statement am Samstag klargemacht, dass er die "Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung" als Voraussetzung für seine politischer Arbeit sieht.

Bei der SPÖ stellt sich freilich auch eine andere Frage. Die schwelenden Konflikte scheinen zwar in den vergangenen Wochen abgeflaut, sie können aber rasch wieder aufflammen, wenn es in Richtung Wahl geht. Wohin soll die SPÖ gehen? Mit wem? Wer soll die Parteizentrale leiten? Eine nicht konsensuale Klärung dieser Fragen kann die SPÖ nicht nur am Wahlabend beschädigen, es kann die Partei auch zu einem unsicheren möglichen Partner machen. Für wen auch immer, aber natürlich am ehesten für Kanzler Kurz. Leicht wird es für ihn nicht. Zumindest Stand jetzt, seit Samstag ist aber klarer denn je: Allzu weit sollte man nicht in die Zukunft blicken.