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"Persönliches Streben nach Macht"

Von Karl Ettinger

Politik

Auszüge aus dem SPÖ-Misstrauensantrag gegen die Regierung: Abrechnung mit Vorgehen nach dem Ibiza-Video und "desaströsem Experiment".


,,Was aber haben die eineinhalb Jahre in Österreich verursacht? Die Gesellschaft ist gespalten, die Solidarität in Österreich wurde abgebaut, nur die Hasspostings in den sozialen Netzwerken sind radikal angestiegen. Die Sozialdemokratie hat diese Entwicklung seit der Regierungsbildung im Jahr 2017 heftig kritisiert. Im Gegensatz dazu hat Bundeskanzler Sebastian Kurz diese Entwicklungen schöngeredet, bis vorvergangenen Freitag aufgrund der Berichterstattung des ,Spiegels‘ und der ,Süddeutschen Zeitung‘ Ausschnitte des Ibiza-Videos an die Öffentlichkeit gelangten. (. . .)

Reiner Machterhalt und ein egozentrischer Grundzugang des Bundeskanzlers bestimmen seine Entscheidungen, die alle auf eine Frage hinauslaufen: Was nützt Sebastian Kurz am meisten? (. . .)

Fest steht, dass Sebastian Kurz zu jedem Zeitpunkt dieses gefährlichen Experiments wusste, was er tat. Sein Experiment, das er allen Warnungen zum Trotz verwirklichte, hat nachhaltigen Schaden für die Demokratie, die Pressefreiheit, den Rechtsstaat, das internationale Ansehen Österreichs und den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft angerichtet. Denn das wird letztlich die Bilanz dieses desaströsen Experiments, das Kurz entgegen jeder Vernunft durchzuführen entschied, sein.

Verantwortung für zweimalige Auflösung der Regierung

In der Amtszeit dieser Bundesregierung wurde die Sozialversicherung zerschlagen, die 60-Stundenwoche eingeführt, der Verfassungsschutz international handlungsunfähig gemacht, die soziale Absicherung für kinderreiche Familien wurde herabgesetzt und Österreich im Pressefreiheitsranking um fünf Plätze zurückgeworfen. Für alle diese Dinge trägt Kurz als Bundeskanzler die Verantwortung. (...) Binnen nur 24 Monaten trägt Kurz also die Verantwortung dafür, zweimal eine Bundesregierung aufgelöst zu haben, weil es für ihn, und für niemand anderen, eine Besserung bedeutet. Dies zeigt einen beispiellosen politischen Zugang, der aus persönlichem Streben nach Macht alle anderen Interessen hintanstellt.

Genauso bedeutend für die Einschätzung der Situation ist allerdings, wie Sebastian Kurz seit Bekanntwerden des Videos als Bundeskanzler agierte. Ohne Gespräche mit den Vorsitzenden der anderen im Nationalrat vertretenen Parteien zu führen, rief der Bundeskanzler einseitig Neuwahlen aus. In einem parlamentarischen Regierungssystem wäre es eine Selbstverständlichkeit, zunächst mit den anderen im Nationalrat vertretenen Parteien bezüglich der Frage in Kontakt zu treten, ob für die Bundesregierung bzw. für die verbliebenen Mitglieder der Bundesregierung noch eine Mehrheit im Nationalrat besteht und wie die Zukunft der Zusammenarbeit aussehen soll. Letztlich ging es ihm also wieder darum, seine persönlichen Interessen zu stärken und aus dieser desaströsen Situation politischen Profit zu ziehen."