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Kein Alleserklärer, aber Studentenversteher

Von Walter Hämmerle

Politik
© WZ

Zum Tod des Politologen Peter Gerlich.


Wien. Nicht immer ist die Rede vom verspäteten Österreich richtig und gerecht; manchmal war dieses Land auch einfach nur früh, zu früh dran. Dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Politik, mit ihren Prozessen und Strukturen, im Rahmen eines eigenen Fachs spät an den heimischen Universitäten Einzug hält, daran gibt es nichts zu rütteln. Dass es schließlich doch gelang, in den frühen 1970ern, war maßgeblich auch ein Verdienst von Peter Gerlich.

Gerlich war kein Alleserklärer für die Medien, dafür war er ein begnadeter Lehrer im Hörsaal; und je kleiner der Saal, je intensiver der Austausch mit den Studenten, je weniger Vortrag und je mehr Debatte, desto mehr lief Gerlich zur Hochform auf. Und stets verknüpfte er dabei Geschichte, Kultur und Soziologie mit seinem eigenen Spezialgebiet zu einem umfassenderen Blick. Davon profitierte auch der Autor dieser Zeilen, dessen Dissertation Gerlich einst mitbetreute.

Sarkasmus und dazu noch eine gute Portion (Selbst-)Ironie waren dabei nicht die schlechtesten Hilfsmittel, um Studenten - zumal internationalen, die mit den hiesigen Besonderheiten nichts am Hut hatten - dieses Österreich politisch zu erklären. "Therapeutischen Nihilismus" nannte Gerlich etwa die typisch österreichische Neigung zu Beharrung und Strukturkonservativismus: "Wir wissen, dass es ein Problem gibt; wir anerkennen es sogar als ein Problem; und dann tun wir nichts. Und erstaunlich häufig, wenn man nur lange genug zuwartet, ist das Problem dann tatsächlich verschwunden."

Gerlich hat Rechtswissenschaften in Wien studiert. Nach seiner Habilitation 1973 zum Thema "Parlamentarische Kontrolle im politischen System" ging er nach Braunschweig. 1974 kehrte er als Mitbegründer und Institutsvorstand des heutigen Instituts für Staatswissenschaft zurück. Es folgten Gastprofessuren u.a. in Stanford und Oxford und etliches mehr. Wie erst nun bekannt wurde, starb Peter Gerlich bereits am 13. Juni nach langer und schwerer Krankheit im 80. Lebensjahr.