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1700 Euro steuerfrei: Was der SPÖ-Plan bringt

Von Karl Ettinger

Politik

Experten äußern Skepsis wegen Ausweitung der Gruppe, die keine Steuern zahlt, und Anreiz für Teilzeitarbeit. | Neos setzen im Gegensatz zur SPÖ auch auf eine aufkommensneutrale CO2-Steuer auf Diesel und Benzin.


Wien. Erstmals hat SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner mit der Forderung, dass Arbeitnehmerlöhne bis 1700 Euro brutto im Monat steuerfrei sein sollen, das Geheimnis um die SPÖ-Steuerpläne gelüftet. Die Entlastung soll ab 2021 gelten. Experten äußern allerdings Skepsis, weil das die Gruppe, die keine Lohnsteuern mehr zahlt, deutlich ausweitet und Teilzeitarbeit noch mehr beflügeln könnte. Die SPÖ-Chefin will außerdem, dass die Sozialpartner 1700 Euro Mindestlohn vereinbaren. Die Neos haben ihr Steuerpaket auch mit einer aufkommensneutralen CO2-Steuer vorgelegt.

Was sieht der Steuerplan der SPÖ konkret vor?

SPÖ-Chefin Rendi-Wagner möchte, dass Löhne von Arbeitnehmern bis 1700 Euro brutto im Monat steuerfrei bleiben. Derzeit sind Jahreseinkommen bis 11.000 Euro im Jahr steuerbefreit. Die SPÖ möchte diese Grenze deutlich auf rund 15.300 Euro pro Jahr anheben. Dies soll unter Einbeziehung des Verkehrsabsetzbetrags von rund 400 Euro dazu führen, dass Arbeitnehmern mit Löhnen bis 1700 Euro brutto im Monat letztlich keine Steuer zahlen. Die SPÖ begründet dies damit, dass den Menschen vor allem mehr für das tägliche Leben bleibt. Es wären bis rund 1200 Euro im Jahr mehr.

Welche Auswirkungen hat das im Steuersystem?

Derzeit zahlen laut Finanzministerium rund 2,5 Millionen Personen keine Lohnsteuer, weil sie so wenig verdienen, dass sie steuerbefreit sind. Das ist derzeit immerhin laut Finanzministerium bereits ein gutes Drittel (35 Prozent) von potenziell Lohnsteuerpflichtigen. Die Steuerpflicht beginnt bei monatlich rund 1260 Euro brutto. Von der Steuerbefreiung bis 1700 Euro brutto im Monat sollen laut SPÖ 4,5 Millionen Personen profitieren. Auch bei höheren Löhnen wäre der Teil bis 1700 Euro ebenfalls steuerfrei. Die Maßnahme soll auch für Pensionisten gelten. Die Statistik Austria hat in der Lohnsteuerstatistik 2017 insgesamt rund 6,9 Millionen Steuerpflichtige ausgewiesen. Von 5,1 Millionen Lohnsteuerzahlern waren knapp 3,7 Millionen Arbeitnehmer und 1,4 Millionen Pensionisten.

Wie werden die SPÖ-Pläne von Experten bewertet?

In Expertenkreisen wird das Steuervorhaben der SPÖ auf Anfrage der "Wiener Zeitung" mit einigen Vorbehalten betrachtet. Das betrifft vor allem die Anhebung der Grenze der Steuerbefreiung, womit sich die Zahl der Menschen, die keine Lohn- und Einkommenssteuer zahlt, wesentlich erhöht. Denn diese Grenze sei mit einem versteuerbaren Bruttojahreseinkommen von 11.000 Euro bereits jetzt relativ hoch. Diese Gruppe trägt damit nur über Verbrauchssteuern zum Gesamtsteueraufkommen des Staates bei. Das wird auf Expertenseite auch als "demokratiepolitisch" bedenklich erachtet. Gemeint ist damit, dass die Lohn- und Einkommenssteuerlast damit auf einer immer kleiner werdenden Gruppe der Bevölkerung lastet, wogegen sich Widerstand regen könnte. Die Ökonomen des Instituts Agenda Austria haben beispielsweise errechnet, dass schon jetzt lediglich 25 Prozent der Arbeitnehmer gut drei Viertel der Lohnsteuer (77,5 Prozent) zahlen. Das sind Arbeitnehmer mit einem Bruttojahreseinkommen ab 44.000 Euro. Eine Senkung der Steuertarife wird so gesehen als sinnvoller im Zuge einer Steuerreform erachtet. Die geplante, aber nicht beschlossene ÖVP-FPÖ-Steuerreform sah eine Tarifsenkung vor. Derzeit liegt der unterste Steuertarif für versteuerbares Jahreseinkommen von 11.000 bis 18.000 Euro bei 25 Prozent. Dieser Tarif gilt laut Finanzressort für 17 Prozent der Lohnsteuerpflichtigen. Nur ein Prozent fällt in die oberste Gruppe der Steuertarife mit 50 Prozent beziehungsweise 55 Prozent.

Gibt es noch andere Bedenken?

Ja. Ökonomen befürchten auch, dass mit einer Steuerbefreiung für Löhne bis 1700 Euro der Anreiz für Teilzeitarbeit erhöht wird, weil diese in Relation zu Vollzeitjobs, die steuerlich voll belastet werden, attraktiver werden. Schon jetzt gibt es in Österreich viele Teilzeitjobs. Seit längerem warnen Experten und Politikerinnen speziell vor negativen Folgen für Frauen in Teilzeit, weil sie weniger Pension erwarten dürfen und damit Altersarmut droht.

Wie werden Bezieher niedriger Einkommen schon 2020 entlastet?

ÖVP und FPÖ werden noch vor der Nationalratswahl als Vorgriff auf eine Steuerreform unter anderem eine Entlastung der Sozialversicherungsbeiträge für niedrige und mittlere Einkommen im Nationalrat beschließen. Dies soll durch Rückerstattung von Sozialversicherungsbeiträgen im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung im Jahr 2021 für 2020 erfolgen. Die SPÖ möchte eine Refundierung schon früher erreichen, nämlich 2020, und außerdem bis zu 700 statt bis 400 Euro.

Wann sollen 1700 Euro Mindestlohn kommen?

2021. Allerdings ist das vorerst eine Forderung Rendi-Wagners an die Sozialpartner, dies in den Kollektivverträgen zu regeln. Legen sich die Arbeitgeber quer, soll es staatlichen Maßnahmen geben.

Wie will die SPÖ ihren Steuerplan finanzieren?

Die SPÖ beziffert die Kosten mit rund fünf Milliarden Euro. Ein Teil der Summe soll aus dem Budget kommen, die ÖVP-FPÖ-Regierung hat aufgrund der guten Konjunktur Geld für die Steuerreform bereitgehalten. 1,5 bis zwei Milliarden Euro möchte die SPÖ außerdem nicht nur Senkung der Körperschaftssteuer für Großunternehmen verwenden, sondern zu den Arbeitnehmern umschichten.

Wie sehen die Steuerpläne der Neos aus?

Während im Wahlkampf von ÖVP und FPÖ noch keine neuen Steuervorhaben vorgelegt wurden, haben die Neos schon in der Vorwoche ihr Steuerreformprogramm präsentiert. Die Neos schlagen anders als die SPÖ auch eine CO2-Steuer vor - 350 Euro je Tonne. Benzin und vor allem Diesel würden teurer. Die Neuregelung soll aber für Autofahrer aufkommensneutral sein. Motorbezogene Versicherungssteuer, Normverbrauchsabgabe beim Autokauf und Kfz-Steuer sollen wegfallen.

Wie wollen die Neos den Faktor Arbeit entlasten?

Die Steuerzahler sollen um mindestens 3,5 Milliarden Euro durch Senkung der Einkommenssteuer und Abschaffung der kalten Progression (jemand fällt bei Lohnerhöhungen in einen höheren Steuertarif) entlastet werden. Weitere 4,8 Milliaden Euro soll eine Senkung der Lohnnebenkosten bringen: durch Wegfall von Kommunalsteuer, Wohnbauförderungsbeitrag und Kammerumlage.