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Wer soll das bezahlen? Ökonomen vermissen Gegenfinanzierung

Von Karl Ettinger

Politik
© M. Hirsch

Der Koalitionspakt sorgt für Milliardenlücke. Für Wifo-Expertin Margit Schratzenstaller fehlen konkrete, große Reformvorhaben.


Zwei Milliarden Euro für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, Steuerentlastungen bei unteren und mittleren Einkommen, Senkung der Körperschaftssteuer, mehr Ressourcen für Polizei und Justiz: An Vorhaben und Versprechen, die in der kommenden Legislaturperiode zu Mehrausgaben im Staatshaushalt führen werden, mangelt es nicht. Woher das Geld dafür kommen soll, sorgt aber auch bei Fachleuten für Rätselraten.

Steuermaßnahmen kosten allein gut fünf Milliarden Euro

"Was die Finanzen betrifft, bedarf es noch einiger Konkretisierungen", betont Wifo-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": "Mir fehlen konkrete, große Reformprogramme." Das Regierungsabkommen müsse noch "unterfüttert werden mit Maßnahmen zur Gegenfinanzierung", stellt sie fest.

Schratzenstaller rechnet vor, dass zwar aufgrund der Konjunkturentwicklung, früherer Einsparungen sowie der niedrigen Zinsen in den nächsten Jahren jährliche Überschüsse von rund zwei bis 2,3 Milliarden Euro zu erwarten seien. Allerdings reiche dieser Spielraum nicht aus. Die Wifo-Expertin kommt in ersten Berechnungen allein bei Entlastungen bei der Einkommensteuer und für Unternehmen auf in Summe rund 5,7 Milliarden Euro an geringeren Einnahmen für den Staat, noch ohne eine Reihe kleinerer vorgesehener Maßnahmen. Dazu kommen fix zwei Milliarden Euro für den Ausbau es öffentlichen Verkehrs.

Was das Erreichen der Klimaziele betrifft, sei das Regierungsprogramm "ambitioniert". Sieht man etwa von der Flugticketabgabe ab, sei aber auch die angestrebte Ökologisierung des Steuersystems "relativ unkonkret". IHS-Chef Martin Kocher fehlt im Regierungsprogramm noch die Finanzierungsseite der Steuerentlastungen. Es gebe nur wenige Hinweise, wie die Senkung der Einkommens- und Körperschaftssteuer sowie weitere Änderungen gestemmt werden sollen, sagte Kocher der Austria Presseagentur.

Die Steuerreform werde wohl in zwei Stufen kommen, erwartet Kocher. Zuerst würde die Besteuerung der Einkommen gesenkt, das sei wichtig, um der kalten Progression entgegenzuwirken. Die Senkung der Körperschaftssteuer sowie die Einführung einer CO2-Steuer würden folgen.

Hanno Lorenz, Budgetexperte des Instituts Agenda Austria, ist einer Meinung mit seinen Kollegen: "Die Gegenfinanzierung ist sehr offen." Er verweist im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" ausdrücklich darauf, dass die türkis-grüne Koalition ein Festhalten am Nulldefizit angekündigt habe.

Fragezeichen um ausgeglichenes Budget

Angesichts der Milliardenausfälle für Steuerentlastungen und Ausgaben von zwei Milliarden Euro für den öffentlichen Verkehr meint er kopfschüttelnd: "Wie das mit einem ausgeglichenen Budget funktionieren soll, ist sehr fraglich."

Außerdem sei etwa bei den Verkehrsinvestitionen ungewiss, zu welchem Zeitpunkt diese erfolgen werden: "Wann das kommt, ist unklar." Grundsätzlich beklagt Agenda Austria darüber hinaus, dass auch im türkis-grünen Regierungsprogramm nachhaltige Maßnahmen zur Eindämmung der Pensionskosten fehlten.