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Ideologiezentrum Schule

Von pech

Politik

Die langjährige Lehrerin Susanne Wiesinger ist nach einem Jahr im Ministerium ernüchtert. Sie beschreibt das Missverständnis zwischen Ministerium, Bildungsdirektionen und Schule und die völlige Durchdringung mit Parteipolitik.


Mit dem Buch "Kulturkampf im Klassenzimmer" hat Lehrerin Susanne Wiesinger im Herbst 2018 eine Debatte über Auswirkungen des konservativen Islam an Schulen losgetreten. Im Februar 2019 holte Minister Heinz Faßmann (ÖVP) sie als Leiterin der Ombudsstelle für Wertefragen und Kulturkonflikte ins Bildungsministerium. Am Montag legte Wiesinger mit "Machtkampf im Ministerium" ein neues Buch vor. Darin rechnet sie mit dem Ministerkabinett, dem Ministerium, den Gewerkschaften, den Politikern - der Schulpolitik als Ganzes ab. Minister Faßmann zog bereits am Wochenende die Reißleine und stellte Wiesinger bis Ende ihres Vertrags als Ombudsfrau Anfang Februar dienstfrei. Wiesinger ist Landesbeamtin in Wien und daher der Bildungsdirektion Wien unterstellt. "Das ist sie auch weiterhin", sagte Faßmann. Dienstrechtliche Konsequenzen werde es keine geben.

Der Bildungsminister war am Montag aber um Deeskalation bemüht. Er habe mit Susanne Wiesinger gesprochen und halte ihren Beitrag zum Aufzeigen von Problemen im österreichischen Schulsystem für wertvoll. Seine Irritation richte sich nicht gegen Wiesinger als Person, sondern darauf, dass er mit einem fertigen Buch konfrontiert worden sei, obwohl bei ihrem Tätigkeitsbericht für das Ministerium noch ein entscheidender Punkt - das Executive Summary - gefehlt habe. Der Tätigkeitsbereicht der Ombudsfrau, für den diese zahlreiche Gespräche in ganz Österreich geführt habe und die auch in das Buch eingeflossen sind, wurde am Montag auf der Homepage des Ministeriums veröffentlicht.

"Wir müssen vom Aufzeigen von Problemen auch ins Handeln kommen", sagte der Minister. Dieses "Handeln" hätte er gerne mit Wiesinger umgesetzt, dazu werde es aber nun nicht mehr kommen. Von der "Kronen Zeitung" berichtete Gerüchte, dass von Ministeriumsseite Wiesinger mit einem lukrativen und hochrangigen Job im Ministerium quasi ruhiggestellt werden sollte, dementierte Fassmann. Diese Vorwürfe seien "nicht nachzuvollziehen".

Die Ombudsstelle will Fassmann jedenfalls weiterführen.

Vorwürfe Wiesingers, etwa dass Interview-Antworten seitens des Kabinetts vorformuliert worden sein sollen, wies Fassmann zurück: "Von mir wurden definitiv keine Antworten vorformuliert." Man habe lediglich versucht, der Ombudsfrau Assistenzfunktionen beiseite zu stellen. "Das ist ganz anders empfunden worden, als es intendiert war."

Faßmann selbst hatte Wiesinger in ihrem Buch aus ihrer Kritik allerdings explizit ausgenommen. Obwohl Wiesinger aus ihrer politischen Präferenz (SPÖ) kein Hehl macht, prangert sie in dem Buch die parteipolitische Getriebenheit selbst bei Sprachförderkonzepten an. "Die Bildungskonzepte der Parteien sind zu sehr ideologisch motiviert und berücksichtigen zu wenig die tatsächlichen Entwicklungen an unseren Schulen", schreibt Wiesinger. Wo sich im Ministerium aber alle Beamten sehr gut zusammenfänden wäre, wenn es um Posten ginge: "Wenn es um Posten geht, dann ist man lösungsorientiert." Wiesinger beschreibt aber auch die vielen Differenzen zwischen dem Ministerium und den Bildungsdirektionen und auch die Entfremdung zwischen Schule und Beamten. Jede Regierung wolle zeigen, dass sie bessere Konzepte habe. Leidtragende seien die Lehrer, deren arbeit durch die unzähligen Änderungen erschwert und sogar zerstört werde. (apa, pech)