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Lernen in schulfreien Zeiten

Von Martina Madner

Politik

Was auf Schüler, Eltern und Lehrer ab Montag zukommt.


Liebe Eltern, liebe Kinder! Es ist eine außergewöhnliche Situation mit außergewöhnlichen Maßnahmen." Bildungsminister Heinz Faßmann wandte sich bei seinem Auftritt am Donnerstag um 13 Uhr an die direkt Betroffenen der tags zuvor verkündeten Schulschließungen kommende Woche. Für mehr als eine Million Schüler, deren Eltern, aber auch Lehrer und Direktoren hat die Corona-Epidemie massive Auswirkungen das tägliche Leben. Denn schulfrei bedeutet nicht unterrichtsfrei. Was ist damit gemeint, und was bedeutet das im Detail?

Darf mein Kind nächste Woche in die Schule?

Wenn es in die Oberstufe, berufsbildende Schulen, Landwirtschaftschulen, Berufsschulen oder eine Polytechnische Schule geht, lautete die Antwort ab Montag eigentlich: Nein. Für Schülerinnen und Schüler ab 15 ist wie für Unis E-Learning beziehungsweise eigenständiges Arbeiten zu Hause geplant, keine Betreuung oder Unterricht an den Schulen vorgesehen.

Eigentlich, denn auch für ältere sollen die Schulen autonom Support-Teams für Fragen in allen Fächern einrichten, eine Gruppe aus dem Lehrpersonal, wird also beispielsweise auch an einer HTL jedenfalls vor Ort sein müssen. Wie groß diese sein werden, entscheidet die Schule. Schüler sollen weiterhin Bücher in der Schulbibliothek ausleihen können.

An Schulen für jene, die jünger als 14 sind, gibt es auch ab Mittwoch jedenfalls Betreuung, Lehrer und Lehrerinnen werden diese übernehmen. Das Anliegen der Regierung lautet aber weiterhin: "Wer Betreuungsmöglichkeit hat, soll sie nutzen. Wenn jemand in der Arbeit unabkömmlich ist, insbesondere im medizinischen Bereich, der möge die Kinder in die Schule bringen", sagt Faßmann. Für Kindergärten gelte im Übrigen das Gleiche.

Nach den Rückmeldungen der Eltern und zahlreichen Anrufen am Donnerstag schätzt eine Volksschuldirektorin, dass 80 Prozent der Eltern ihre Kinder zu Hause betreuen werden, "weil sie mittlerweile sehr besorgt sind." Eine Lehrerin ist weniger optimistisch, sondern wütend, "ob 19 statt der sonst 25 kommen, ist für mich egal - und sorgt auch nicht für weniger Ansteckung."

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Müssen Kinder und Jugendliche zu Hause lernen?

Die Antwort des Ministers auf diese Frage ist ein klares Ja. Lehrerinnen und Lehrer seien dazu angehalten, einheitliche Übungshefte zu erstellen, die Volksschuldirektorin hat den Kindern bereits ein solches mitgegeben, für andere, die gerade krank sind, können es die Eltern abholen. Es geht nicht um neuen Schulstoff, sondern darum, bereits Erlerntes zu vertiefen. Die Inhalte können die Schulen autonom selbst definieren. An der Volksschule umfasst es für die älteren 15 A4-Seiten, für die jüngeren ist es kürzer: "Das sollten die Kinder in einer Stunde pro Tag bis zu den Ferien alleine schaffen."

Faßmann geht von einem realistischen Pensum aus und beruhigt die Eltern unter den Journalistinnen und Journalisten. Falls nicht, hofft er auf den Dialog: "Schule ist ein lernendes, ein kommunizierendes System. Da werden auch Lehrer lernen, was zu viel ist." - "Schule ist ein Miteinander und kein Gegeneinander", sagt er auch. Damit dieses Miteinander gelingt, hat die Volksschuldirektorin den Eltern einen Brief mitgegeben. Sie sollen darauf achten, dass die Übungen passiert - und keine freiwilligen Aufgaben sind: "Das könnte eine erzieherische Wirkung auf Eltern haben", glaubt sie, "andere Eltern sind vermutlich froh sein, wenn die Kinder sinnvoll beschäftigt sind." Singen, Turnen, Zeichnen wären ihre zusätzlichen Vorschläge.

Übungsaufgaben und Portfolios sind laut Faßmann jedenfalls eine "Verpflichtung". Elternvertreter Karl Dwulit befürchtet soziale Unterschiede, dass "Eltern das in der Volksschule oder am Land vielleicht schaffen, in der Stadt sind damit viele Eltern von NMS-Kindern vermutlich überfordert". Für kein Kind solle ein Nachteil entstehen. Die Aufgaben werden zwar nicht klassisch benotet, wohl aber wird das Ergebnis in die Beurteilung der Mitarbeit einfließen.

Welche E-Learning-Angebote gibt es?

Streaming von Schulstunden so wie an den Universitäten wird es nur in Ausnahmefällen geben. Das Ministerium hat die Plattform "eduthek.at" früher gelauncht als geplant. Im Moment stehen für Schülerinnen und Schüler aller Schulstufen bereits 2600 Lern- und Übungsmaterialien in verschiedenen Fächern zur Verfügung, in Mathematik reicht es zum Beispiel vom Einmaleins für die Kleinsten bis zu linearen Funktionen für die Oberstufe. Man arbeite "unter Hochdruck", um das Angebot bis zur nächsten Woche entsprechend zu erweitern.

Beim Lernen möge das Lehrpersonal die Schülerinnen und Schüler online in Chatgruppen oder per Mail, "was sich an der Schule bereits bewährt hat", begleiten, meint der Minister. Für ältere ein durchaus sinnvolles Angebot, meint die Volksschuldirektorin, für ihre aber nicht. Dwulit glaubt nicht einmal daran: "Das ist vielleicht was für die Oberstufen", nicht aber für jüngere: "Und die Berufsschulen wurden überhaupt nicht mitbedacht", ärgert er sich.

Zusätzlich gibt es übrigens ein Revival des Schulfernsehens mit Dokumentationen und Wissensmagazinen aus dem Archiv, und unter dem Namen "ZiB Zack" Nachrichten für Schülerinnen und Schüler. Dazu eine "Freistunde", die mit Schülerinnen und Schülerin wie Schulen "interaktiv" gestaltet werden, sagt ORF1-Managerin Lisa Totzauer. Für die Jüngsten werde das Kinderprogramm am Morgen um eine Stunde verlängern.

Was ist, wenn E-Learning nicht möglich ist?

Für all jene ohne oder bei mehreren Kindern nicht ausreichender Anzahl an Computern zu Hause werde das Übungsmaterial von den Schulen in ausgedruckter Form zur Verfügung gestellt. Das Geld dafür sei da, versichern die Verantwortlichen in den Ministerien. Wer in diesem Fall die Aufgaben laufend prüft, scheint unklar, laut Faßmann Eltern, aber auch Lehrerinnen und Lehrer zuständig. Ohne Onlinezugang eben telefonisch, Faßmann schlägt Schulen Kommunikationszeiten festzulegen oder bei den Supportgruppen vor Ort.

Was ist mit Prüfungen? Und der Matura?

In Oberstufen ab Montag, in Volks-, Mittelschulen und AHS-Unterstufen finden ab Mittwoch keine Prüfungen und Schularbeiten mehr bis Ostern statt. Nicht alle müssen danach unbedingt nachgeholt werden. Für die Anzahl der Schularbeiten gibt es schon heute eine in den Schulstufen unterschiedliche Bandbreite. In der sechsten Klasse AHS-Oberstufe sind es für Mathematik zum Beispiel "drei bis fünf" im Schuljahr. Außerdem sagt Martin Netzer, Generalsekretär im Bildungsministerium, dass ein Aussetzen schon jetzt gesetzlich möglich ist: "Was neu ist, ist die Quantität, mit der das jetzt passiert, und die Flexibilität."

Anders ist das bei jenen, die heuer Matura machen: Hier ist klar, dass die vorwissenschaftlichen Arbeiten bis Ostern abgegeben werden müssen: "Das soll gewährleistet werden", sagt Faßmann. "Präsentation sollen aber in Kleingruppen stattfinden." Über die mögliche Verschiebung der Zentralmatura wurde hingegen noch nicht endgültig entschieden, das könne kommende Woche passieren. Faßmann hofft, dass Lehrerinnen und Lehrer "einen speziellen Fokus auf die Maturanten legen".

Was müssen Lehrerinnen und Lehrer machen?

Für jene, die in der Kinderbetreuung unabkömmlich sind, gilt dasselbe wie für andere Berufsgruppen auch: zu Hause bleiben. Zu älteren oder chronisch erkrankten Lehrerinnen und Lehrern sagte der Minister allerdings nichts. Für die anderen Lehrerinnen und Lehrer entscheiden die Schulen autonom, wer von zu Hause aus Schüler supportet und wer für die Betreuung und fachliche Unterstützung in der Schule zur Verfügung steht.

Wie geht es an den Schulen und in Kindergärten weiter?

Wöchentlich, täglich werde die Maßnahme evaluiert, versichert Faßmann. Ob man die Maßnahmen nachschärfe, etwa Schulen und Kindergärten nur für Kinder von Eltern in bestimmten Berufe offen lasse oder sie generell schließe, sei noch nicht gewiss: "Wir werden sehen, wenn keiner in die Schule geht, dann können wir uns solche Überlegungen ersparen, wenn alle in die Schule gehen, wird wohl mehr notwendig sein. Aber auch eine Ausdünnung auf 50 Prozent wäre schon ein Vorteil."