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"Eine hohe Dunkelziffer ist wünschenswert"

Von Petra Tempfer

Politik

Erstmals zwei Corona-Todesfälle in Tirol - Land befasst Staatsanwaltschaft mit Ischgler Fall.


Die sozialen Kontakte wurden stark eingeschränkt, Veranstaltungen abgesagt, Lokale und Schulen geschlossen: Die in der Vorwoche binnen kürzester Zeit gesetzten Maßnahmen in Österreich, um die Verbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 einzudämmen, zeigten offenbar Wirkung - allerdings nur vorerst. Nach einer Abflachung am Sonntag stiegen die Neuinfektionen am Montag von 3244 auf 3924 (Stand: 15 Uhr) wieder an. Das bedeutete im 24-Stunden-Vergleich eine Zunahme um rund 21  Prozent, nach dem geringsten täglichen prozentuellen Zuwachs von 15 Prozent am Vortag.

Konkret war am Sonntag die Zahl der Neuinfektionen innerhalb eines Tages laut Gesundheitsministerium von 2814 auf 3244 (Stand: 15 Uhr) gestiegen. Das war mit 430 Neuinfektionen zwar der bisher größte Anstieg in Zahlen, gleichzeitig war das Plus von 15 Prozent aber der geringste tägliche prozentuelle Zuwachs. Der Durchschnitt der vergangenen Woche lag bei 20,9 Prozent. Anfang der Vorwoche hatten die Zuwachsraten noch rund 35 Prozent betragen.

Behörde nicht informiert

Bisher wurden 23.429 Personen in Österreich getestet. Die Zahl der genesenen Patienten steht nach wie vor bei neun. 21 Todesfälle sind vom Gesundheitsministerium offiziell bestätigt - darunter die zwei ersten Coronavirus-Todesfälle am Montag in Tirol. In beiden Fällen habe es sich um ältere Hochrisikopatienten gehandelt, hieß es dazu vom Land Tirol, wo am 25. Februar die ersten zwei Corona-Fälle Österreichs bekannt geworden waren.

Ebenfalls am Montag wurde bekannt, dass Tirol wegen eines offenbaren Ischgler Corona-Falles die Staatsanwaltschaft eingeschaltet hat. Der Grund: Ein deutsches Medium, laut APA das ZDF, informierte die Gemeinde Ischgl, dass in einem dortigen Betrieb schon Ende Februar ein positiver Fall bekannt gewesen sein soll. Der namentlich nicht genannte Betrieb soll diesen aber nicht der Gesundheitsbehörde gemeldet haben. Stattdessen soll man die betroffene Mitarbeiterin nach Hause geschickt haben, hieß es. Ob es sich bei dem Fall tatsächlich um einen positiven Corona-Fall handelt - dafür wäre eine Testung notwendig - oder um einen Verdacht, war zunächst unklar und auch dem Land nicht bekannt. Es handle sich jedoch um "derart ernste Vorwürfe, dass dem sofort nachzugehen ist", sagte ein Sprecher. Deshalb habe die Bezirkshauptmannschaft Landeck die Information der Staatsanwaltschaft als Sachverhaltsdarstellung übermittelt. Diese konnte deren Erhalt vorerst nicht bestätigen. Somit blieb zunächst auch offen, ob bereits Ermittlungen eingeleitet wurden.

Dass Tirol zu spät auf die Entwicklungen hinsichtlich der Ausbreitung des Virus reagiert hätte, weist das Land vehement zurück. Freitagabend verlängerte es die Quarantäne-Verordnung für alle 279 Gemeinden bis 13. April.

Nach Tirol mit 803 Fällen (Stand: Montag, 15 Uhr) ist Oberösterreich mit 707 Fällen das Bundesland mit den zweitmeisten positiven Testergebnissen, gefolgt von Niederösterreich (564), der Steiermark (486) und Wien (476).

Warum steht gerade Oberösterreich an zweiter Stelle? In Oberösterreich gibt es zwar absolut gesehen die zweitmeisten Infizierten, aufgrund seiner Größe sei es aber viel einwohnerstärker als Tirol oder Vorarlberg, heißt es vom Amt der oberösterreichischen Landesregierung auf Nachfrage der "Wiener Zeitung". Pro 100.000 Einwohner liege Oberösterreich einmal an dritter und einmal an vierter Stelle. "Nach Expertenmeinung liegt der wesentliche Grund für die Fälle in Oberösterreich in den späten Semesterferien, wo sich viele beim Skiurlaub infizierten. Tatsache ist ja, dass die ersten positiven Fälle in Oberösterreich Mitglieder von Skifahrergruppen waren", so die Landesregierung.

Die Dunkelziffer an infizierten Personen ist vermutlich generell hoch. In Wuhan in China - dem Ausgangspunkt der Pandemie - gehe man von einer momentanen Durchseuchungsrate von um die 20 Prozent aus, was rund zwei Millionen Infizierten entspräche, sagt die Wiener Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl. Demgegenüber stehen rund 80.000 nachgewiesene Fälle.

Eine hohe Dunkelziffer sei allerdings wünschenswert. "Weil das bedeutet, dass die Krankheit nicht so gefährlich ist und viele sie asymptomatisch durchgemacht haben", sagt Puchhammer-Stöckl.

Grippewelle flaut weiter ab

Der Simulationsexperte und Mathematiker Niklas Popper von der TU Wien sieht das genauso. Das sei das Ungewöhnliche in diesem Fall, sagt er im Ö1-"Morgenjournal": "Möglicherweise ist die höhere Dunkelziffer keine so schlechte Nachricht." Wenn es bei einer hohen Zahl an Infizierten und einer hohen Dunkelziffer bei wenigen Erkrankten bleibt, werde das Gesundheitssystem nicht an seine Kapazitätsgrenzen gelangen. Wenn möglichst viele ohne Symptome am Coronavirus erkranken, werden diese zudem immunisiert.

Die Grippewelle flaut indes laut MedUni Wien weiter ab. Anfang März waren insgesamt 245.000 Menschen an der Influenza oder einem grippalen Infekt erkrankt.