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Besonders Leichtfertigen drohen auch Haftstrafen

Von Daniel Bischof

Politik
Die Polizei kontrolliert die Ausgangsbeschränkungen. Es droht eine Verwaltungsstrafe - im Extremfall aber auch das gerichtliche Strafrecht.
© Herbert P. Oczeret

Zwei Delikte, die bisher zumeist HIV-Fälle betrafen, sind auch beim Coronavirus einschlägig. Erste Fälle gibt es in Wien und Tirol.


Saftige Verwaltungsstrafen drohen bei Verstößen gegen die Corona-Notmaßnahmen. Bis zu 3600 Euro können fällig werden. Alleine in Wien wurden mit Stand Dienstagvormittag bereits 1523 Anzeigen gemacht. Aber auch zwei Delikte im gerichtlichen Strafrecht sind einschlägig, in Extremfällen drohen sogar Haftstrafen. In Betracht kommt die vorsätzliche oder fahrlässige "Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten" (§§ 178, 179 Strafgesetzbuch). Die Bestimmungen sollen die Bevölkerung vor gefährlichen, anzeige- oder meldepflichtigen Erkrankungen schützen.

Dazu zählen etwa Tuberkulose und Hepatitis, leichte Erkrankungen wie Schnupfen hingegen nicht. Bisherige Fälle betrafen meist HIV. Bestraft wurden vor allem HIV-Infizierte, die um ihre Erkrankung wussten und ungeschützten Geschlechtsverkehr mit nicht-infizierten Personen hatten. Die Fallzahlen hielten sich dabei aber in Grenzen.

Staatsanwaltschaft Innsbruck ermittelt

"Es ist denkbar, dass die Delikte beim Coronavirus angewandt werden", sagt Strafrechtler Alexander Tipold. Auch Covid-19 zählt zu den meldepflichtigen Krankheiten. Erste Fälle gibt es bereits. Ein Ischgler Betrieb soll die Behörden nicht informiert haben, dass eine Mitarbeiterin mit dem Coronavirus infiziert ist. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck ermittelt.

Bei der Staatsanwaltschaft Wien sind zwei Anzeigen anhängig. "Ein Beschuldigter hat Menschen bespuckt und behauptet, dass er das Coronavirus hat", sagt Behördensprecherin Nina Bussek. Es sei aber noch unklar, ob er tatsächlich infiziert ist: "Die Tests stehen noch aus." Ist der Mann infiziert, so könnte er auch bestraft werden, wenn er keine Person angesteckt hat. Der Hintergrund: Bei den Bestimmungen handelt es sich um Gefährdungsdelikte. Der Kranke muss durch sein Verhalten nicht zwingend andere Personen infizieren. Es reicht aus, dass sich die Erkrankung auch nur potenziell verbreiten könnte.

Knackpunkt bei möglichen Fällen wird laut Tipold daher die Frage sein: "Welche Handlung ist geeignet, das Coronavirus potenziell zu verbreiten?" Geht eine positiv auf das Virus getestete Person in den menschenleeren Wald, so verstößt sie gegen die Quarantäne. Ihr droht daher eine Verwaltungsstrafe. Gerichtlich strafbar macht sie sich aber nicht, da keine Verbreitungsmöglichkeit besteht.

Schwierige Grenzziehung

Anders verhält es sich beim Coronavirus-Infizierten, der um seine Erkrankung weiß, im mit Menschen vollgestopften Supermarkt-ohne Schutzmaske unterwegs ist und hustet. "Dieses Verhalten dürfte für eine Verbreitung geeignet sein", sagt Tipold. Das Gleiche gelte, wenn ein Infizierter auf diese Weise im gut besuchten Park spaziere und keinen Sicherheitsabstand wahre.

Es werde auch Fälle geben, bei denen unklar ist, ob die Handlung eine potenzielle Verbreitung ermöglicht, so Tipold. "Also werden die Richter bei möglichen Strafprozessen wohl Sachverständige wie Virologen befragen müssen." Unterschieden wird bei den Delikten zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Begehung. Wer vorsätzlich handelt, dem drohen bis zu drei Jahre Haft. Vorsatz sei jedenfalls dann immer gegeben, wenn die Person von ihrer Erkrankung wisse, so Tipold.

Bei fahrlässiger Begehung droht eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe mit bis zu 720 Tagessätzen. "Das kommt in Betracht, wenn eine Person zwar nicht positiv auf das Virus getestet wurde, sie aber damit rechnen muss, dass sie womöglich infiziert ist", sagt Tipold. Das wäre bei jemandem der Fall, der vor kurzem in Ischgl war und Symptome aufweist.