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Konfliktreicher Start in Budgetberatungen

Von Martin Tschiderer

Politik

Der Budgetausschuss am Freitag steht unter außergewöhnlichen Vorzeichen. Denn dass die avisierten Zahlen nicht halten werden, ist gewiss - so wie die Auffassungsunterschiede zwischen Regierung und Opposition über den Umgang damit.


Der Weg zu einem neuen Budget war schon gewöhnlicher. Dass der finanzielle Fahrplan einer ganzen Republik nach dem berühmten Motto "Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen" nicht exakt so hält wie ursprünglich kalkuliert, liegt zwar in der Natur der Sache - zu unsicher sind externe Faktoren, zu instabil die Rahmenbedingen eines öffentlichen Haushalts für eine exakte prognostische Punktlandung.

Dass allerdings der Finanzminister noch vor Beschluss des Budgets zu Protokoll gibt, dass "jede Zahl, die wir heute kennen, schlussendlich falsch sein" werde, ist dann doch ungewöhnlich. Tatsächlich verdient die wirtschaftliche und budgetäre Situation infolge der Corona-Krise das Prädikat "noch nie da gewesen". Mehr als 570.000 Arbeitslose, rund 1,2 Millionen Menschen in Kurzarbeit, wofür die Regierung die finanziellen Mittel auf zehn Milliarden Euro aufstockte. Insgesamt bis zu 38 Milliarden Euro sollen laut Regierung eingesetzt werden, um die von der Corona-Pandemie und den folgenden "Lockdown"-Maßnahmen ausgelöste Wirtschaftskrise abzufangen.

Opposition will neue Zahlenvon Finanzminister Blümel

Die ursprünglich von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) vorgelegten Zahlen werden nicht halten, so viel ist jedenfalls klar. Einst hatte die Regierung mit Einnahmen von 81,8 Milliarden und Ausgaben von 82,4 Milliarden Euro kalkuliert. Inzwischen rechnet sie ebenso mit einer ausgabenseitigen Budgetüberschreitung von bis zu 28 Milliarden Euro wie mit einem kräftigen Minus bei den Einnahmen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) prognostiziert ein Defizit von 7,5 Prozent statt des zu Beginn des Jahres erwarteten einem Prozent plus des BIP, was sich in einer Schuldenlast von gut 80 Prozent niederschlagen würde.

Die vereinigte Opposition aus SPÖ, FPÖ und Neos forderte deshalb vom Finanzminister eine Überarbeitung der vorgelegten Zahlen, wovon dieser aber nichts wissen wollte. Welche Zahlen auch immer aktuell im Budget beschlossen werden, würden nicht halten, so Blümel, die Krisenbewältigung habe indessen "oberste Priorität". Einzig die sogenannte Überschreitungsermächtigung für die Krisenhilfen solle von vier auf 28 Milliarden Euro aufgestockt werden.

"Man kann natürlich heute auch das amtliche Telefonbuch von 1978 ausführen", sagt SPÖ-Budgetsprecher Jan Krainer zur "Wiener Zeitung". "Nur wird da kaum noch eine Telefonnummer stimmen." Die Budgetberatung mit längst überholten Zahlen sei sinnlos. Keine Zahl eines Budgetplans sei letztlich auf den Cent genau richtig. "Aber die garantiert falschesten Zahlen als Grundlage zu nehmen und dafür einen Blankoscheck über 28 Milliarden Euro zu wollen, ist nicht die Art, wie ein Finanzminister agieren sollte." Umso mehr, weil das Parlament die Funktion habe, Transparenz für die Öffentlichkeit herzustellen, sagt Krainer.

"Stellen Sie sich die AUA vor, die den Staat um Hilfe bittet und dabei das Prä-Corona-Budget vorlegt", sagt Hubert Fuchs, Budgetsprecher der FPÖ im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Der Staat würde in diesem Fall wohl kaum eine Garantie abgeben. Was man zu Recht von einem Unternehmen fordern könne, müsse selbstverständlich auch für den Finanzminister selbst gelten.

So könne man etwa nicht so tun als würden die Steuereinnahmen sprudeln wie in der Vergangenheit. Eine korrigierte Schätzung der Steuereinnahmen etwa gehöre daher zu den ersten notwendigen Schritten, fordert Fuchs.

IHS-Chef hält aktualisiertes Budget für "schwer möglich"

Wifo-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller-Altzinger, von den Grünen ins Expertenhearing am Freitag im Budgetausschuss nominiert, hat dagegen Verständnis für das Vorgehen des Finanzministeriums. "Es gibt wohl keine wirklich gute Alternative dazu", sagt sie. Wichtig sei allerdings eine "möglichst zeitnahe und transparente Darstellung", wie die Mittel der Corona-Soforthilfemaßnahmen eingesetzt werden, die für Öffentlichkeit und Experten zugänglich sei. "Ich glaube, dieser Weg ist zielführender, als jetzt eine neue Momentaufnahme zu machen, die ebenso schnell wieder veraltet sein wird."

Martin Kocher, Direktor des IHS und von der ÖVP ins Expertenhearing geladen, das heute, Freitag, stattfindet, kann im Konflikt zwischen Regierung und Opposition um ein aktualisiertes Budget die Argumente beider Seiten nachvollziehen. Die Kombination aus verspätetem Budget und sich rasend schnell verändernder ökonomischer Situation im laufenden Jahr habe es so noch nie gegeben, sagt er zur "Wiener Zeitung".

Bei einer Aktualisierung würde laut Kocher eine bloße Korrektur der geschätzten Zahlen aber nicht reichen. Vielmehr müsste in diesem Fall die gesamte Struktur des Budgets überarbeitet und Bereiche festgelegt werden, die nun mehr oder weniger Geld erhielten. Das wäre ein "sehr aufwendiger Prozess, den ich angesichts des ohnehin verspäteten Budgets in der aktuellen Situation für praktisch nur sehr schwer möglich halte", sagt Kocher.