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Terroranschlag: Volksanwalt hat noch keinen Zugang zu Akten

Von Karl Ettinger

Politik

Innenminister Nehammer hat bisher erst ein Vorgespräch mit Volksanwalt Rosenkranz zum Wiener Terrorattentat geführt. Ein Prüfverfahren der Volksanwaltschaft zu den Pannen der Behörden im Vorfeld ist aber angekündigt.


Ein durchaus kritischer Zwischenbericht der von Innen- und Justizministerium eingesetzten Untersuchungskommission zum Terroranschlag am 2. November liegt seit dem Vorabend des Heiligenabends vor. Darin wird, wie berichtet, eine regelrechte Serie von Fehlern bei Österreichs Verfassungsschutz aufgelistet, die dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismus (BVT) und dessen Wiener Landesamt im Vorfeld der Tat angekreidet werden.

Gleichzeitig hat der für Vorgänge im Innenressort zuständige Volksanwalt Walter Rosenkranz ein Prüfverfahren zu den "Pannen" rund um den islamistischen Terroranschlag eingeleitet. Eineinhalb Monate danach gibt es vorerst, wie der Sprecher von Volksanwalt Rosenkranz am Samstag der "Wiener Zeitung" erklärte, allerdings lediglich ein Vorgespräch im Dezember mit Innenminister Karl Nehammer (ÖVP).

Das Innenministerium hat die Möglichkeit, dass ein Prüfverfahren zu Vorgängen in der Verwaltung nicht besonders rasch in die Gänge kommt. Bei Ansuchen der Volksanwaltschaft bleibt Ministerien grundsätzlich für Reaktionen bis zu zwei Monate Zeit, wurde im Büro von Rosenkranz, der während der ÖVP-FPÖ-Regierungszeit für die Freiheitlichen Klubobmann im Parlament war und damit die ÖVP gut kennt, erläutert.

Die Ankündigung des Volksanwalts, ein offizielles Prüfverfahren zu den Vorkommnissen und möglichen Behördenverfehlungen im Zusammenhang mit dem Terrorattentat, bei dem vier Menschen getötet und der Attentäter erschossen worden ist, stammt vom 10. November. Rosenkranz hat damals betont: "Ich garantiere eine rasche und lückenlose Aufklärung, ohne einzelne Menschen oder Interessen des Staates zu gefährden. Aber im Ergebnis möchte ich mit einer klaren Beurteilung der Abläufe – ob gut oder schlecht – vor die Öffentlichkeit treten können."

Rund eineinhalb Monate später hat der Volksanwalt bisher aber noch nicht einmal Zugang zu den Akten bekommen, heißt es auf Anfrage. Die untersuchte Behörde hat eben grundsätzlich zwei Monate Zeit, auf ein entsprechendes Ansuchen zu reagieren.

Zwischenbericht zeigt Fehler der Verfassungsschützer

Schon die Vorlage des ersten Zwischenberichts der Untersuchungskommission der fünf Experten zu den Vorgängen rund um das blutige Attentat in der Wiener Innenstadt war ungewöhnlich. Das 23 Seiten umfassende Papier wurde am späten Nachmittag des 23. Dezember öffentlich zugänglich gemacht. Unmittelbar vor dem Heiligenabend und am Tag, an dem die Bundesregierung zugleich am Vormittag die ersten Corona-Impfungen für den 27. Dezember angekündigt hat, ist die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit naturgemäß stärker auf andere Dinge gerichtet.

Zuerst war Justizministerin Alma Zadic (Grüne) mit dem Justizteil des Berichts an der Reihe. Dabei hat die von der Wiener Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes geleitete Kommission in erster Linie für den Vollzug bei der Deradikalsierung zuvor in Haft befindlicher Extremisten Verbesserungsvorschläge unterbreitet.

Ungleich schärfer fiel die Bewertung der Untersuchungskommission in dem wenig später von Innenminister Nehammer publik gemachten Teil aus. Darin wird vor allem vernichtende Kritik am Vorgehen der Verfassungsschützer Monate vor dem Attentat nach der bedingten Entlassung des Attentäters geübt, auch wenn in dem Bericht betont wird, dass die Frage, ob der Anschlag zu verhindern gewesen wäre, "ungelöst" bleibt. Zerbst selbst hat in einem ZiB-Interview gemeint, es habe keinen "Kardinalfehler" gegeben.

Die Untersuchungskommission sieht grundsätzlich kein Defizit beim geltenden Strafrecht in Terorrismusbelangen, empfiehlt aber Verbesserungen im Vollzug bei der Resozialisierung bereits verurteilter Extremisten. Die türkis-grüne Bundesregierung hat dennoch ein Anti-Terror-Paket gegen religiös motivierten Extremismus geschnürt und knapp vor Weihnachten in Begutachtung geschickt. Darin sind unter anderem ein Waffenverbot für ehemalige Strafttäter, die leichtere Aberkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft, ein Verzeichnis für Imame, aber auch Verbesserungen bei der Zusammenarbeit im Justizbereich vorgesehen.

Endbericht der Kommission bis Ende Jänner

Der nun von der Kommission ins Kreuzfeuer genommene Bereich des Verfassungsschutzes ist hingegen vorerst im Anti-Terror-Paket ausgeklammert und soll 2021 gemäß den Zusagen der Bundesregierung nachgeliefert werden. Die Grünen mit Vizekanzler Werner Kogler an der Spitze haben nach der Vorlage des Zwischenberichts eine Reform an Haupt und Gliedern beim Bundesamt für Verfassungsschutz versprochen. Dazu dürfte es aber erst frühestens ab Februar 2021 kommen. Denn bis Ende Jänner soll die Untersuchungskommission ihren Endbericht zu dem Terroranschlag vorlegen.