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Wie Corona die Todesstatistik prägte

Von Simon Rosner

Politik

Eine Analyse der Todesursachen bringt wenige Hinweise auf Kollateralschäden der Pandemie.


Vor einigen Wochen hat die Statistik Austria bereits vorläufige Zahlen über das Sterbegeschehen im Vorjahr veröffentlicht. Im ersten Jahr der Pandemie verzeichnete Österreich signifikant mehr Todesfälle als in den Jahren davor. Nach Aktualisierung der Daten liegt das Plus nun bei neun Prozent. Insgesamt starben im Vorjahr 90.517 Personen, davon 6.477 an Covid-19.

Was vor Wochen noch nicht vorlag, war eine Analyse der Todesursachen. Und diese ist in einem Jahr, in dem das ganze Sozialleben auf den Kopf gestellt wurde und weitreichende Maßnahmen implementiert wurden, von großer Bedeutung. Denn seit dem Frühjahr wird nicht nur der gesundheitliche Schaden durch das Virus, auch mögliche Kollateralschäden stehen im Fokus.

Während tagtäglich am Corona-Dashboard die Zahl der Covid-Infizierten, der Hospitalisierten und Gestorbenen abgelesen werden kann, bleiben mögliche Nebenwirkungen weitgehend im Dunkeln. Dass es zu Leistungseinschränkungen auch in anderen Bereichen des Gesundheitssystems kam, ist gesichert, die Folgewirkungen sind aber noch nicht umfassend aufgearbeitet.

Die aktuelle Analyse der Statistikbehörde bildet zwar nur einen Aspekt ab, nämlich die Todesfälle, liefert dafür aber wichtige erste Antworten. So hat die Pandemie nicht, wie teilweise befürchtet, die Zahl der Suizide steigen lassen. Vielmehr hat sich der langjährige Trend nach unten auch 2020 fortgesetzt. Und auch bei Herzinfarkten und chronischen Herzkrankheiten gab es keine signifikanten statistischen Effekte. Dies ist deshalb von Interesse, weil bereits im Frühjahr die Krankenhäuser eine deutliche Abnahme diagnostizierter Herzinfarkte registrierten und Kardiologen deshalb befürchteten, dass viele Infarkte unbehandelt blieben und später zum Tod führen könnten.

Aus den Todesstatistiken lässt sich hier kein Effekt herauslesen. Allerdings bedeutet es nicht, dass es die von Ärzten befürchteten Kollateralschäden deshalb nicht gab. Erstens lassen sich Einzelfälle aus Gesamtsterbezahlen nicht herauslesen, und zweitens können sich Organschädigungen durch Nicht-Behandlung erst viel später auswirken.

Wenige unentdeckte Covid-Todesfälle

Das gilt auch für mögliche Folgeschäden durch die teilweise eingeschränkten Behandlungen von chronisch Erkrankten, wie etwa Diabetiker und Personen mit Nierenerkrankungen. Hier zeigten sich auch 2020 Anstiege der Sterbefälle, in denen diese Erkrankungen als Todesursache vermerkt wurden. Allerdings sind die Effekte nur schwach ausgeprägt und könnten auch normale Schwankungen darstellen, wie Projektleiterin Barbara Leitner erklärt. Hinzu kommt, dass sowohl Diabetes als auch Nierenerkrankungen Risikofaktoren für letale Covid-Verläufe sind. Nicht entdeckte Corona-Infektionen könnten sich auch darin finden.

Dass viele Covid-Tote in Österreich nicht entdeckt wurden, wie das offenkundig in einigen Ländern im Osten Europas aus den Sterblichkeitsstatistiken herauszulesen ist, hält Herwig Ostermann, Leiter der Gesundheit Österreich GmbH, für nicht wahrscheinlich. "Die Dunkelziffer der Verstorbenen wird nicht hoch sein", sagt er.

Auffällige Effekte bei anderen Todesursachen als Covid-19 lassen sich aus den vorläufigen Daten der Statistik Austria auch generell nicht interpretieren. "Wenn man Corona herausrechnet, würde man auf die Werte kommen, die wir erwartet haben", sagt die Projektleiterin der Statistikbehörde, Barbara Leitner.

Durch demografische Effekte ist man für das Jahr 2020 auch vor Covid davon ausgegangen, dass mehr Personen sterben, berechnet wurden rund 85.000. Am Ende des Jahres waren dann eben mehr als 90.000 Todesfälle zu verzeichnen. Und wie stark die Pandemie das Sterbegeschehen im Herbst antrieb, geht aus der genauen Betrachtung einzelner Kalenderwochen hervor, als Covid für einige Wochen die sonst überragende Todesursache von chronischen Herzerkrankungen auf Platz eins abgelöst hat.

Mitbedacht werden muss, dass es über viele Wochen im Jahr erhebliche Maßnahmen gab, die auch andere Infektionserkrankungen verhindert haben. Die Grippe-Welle hatte fast gleichzeitig mit dem Aufkommen von Covid-19 ein Ende, und sie ist bisher nicht wieder angelaufen.

Es ist möglich, dass sich durch das erhöhte Sterbegeschehen gegen Ende des Vorjahres ein vergleichsweise geringeres in den kommenden Wochen zeigen wird - naturgemäß abhängig von der weiteren Entwicklung der Corona-Infektionszahlen. Bereits jetzt ist aber ein erster Effekt in der Altersgruppe über 85 Jahren sichtbar. Der Anteil dieser Gruppe an den Covid-Toten insgesamt sinkt, sei es durch Impfungen oder weil eben bereits in den Heimen viele sehr Betagte im Herbst gestorben sind. Von den 6.477 Covid-Sterbefällen im Jahr 2020 hatten 2.748 einen Wohnsitz in Pflegeheimen, dazu kamen noch 1.382 (davon 709 in Heimen), bei denen Covid die Begleiterkrankung war.