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Streit um die österreichische Wurst

Von Petra Tempfer

Politik
Die einen wollen, dass auf österreichischer Wurst künftig zu lesen ist, woher das Fleisch darin kommt - den anderen geht das zu weit.
© adobe stock / Sergey Ryzhov

Wann die Herkunft welcher Lebensmittel-Primärzutaten ausgeschildert sein muss, spaltet nicht nur die Koalitionspartner.


In einem sind sich ÖVP und Grüne, konkret Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) und Konsumentenschutzminister Rudolf Anschober (Grüne) einig: Die Kennzeichnung von Primärzutaten in verarbeiteten Lebensmitteln, also nicht nur der Rohstoffe selbst, sei ein wichtiger Schritt: Vor fast genau einem Jahr, am 1. April 2020, trat die Primärzutatenverordnung der Europäischen Union in Kraft. Wenn eine Hauptzutat nicht aus Österreich stammt, darf demnach nur dann ein Lebensmittel zum Beispiel mit einer rot-weiß-roten Banderole als typisch österreichische Spezialität beworben werden, wenn explizit auf die Herkunft der Primärzutat hingewiesen wird. Der Zweck ist, den Konsumenten im Sinn der Transparenz nicht in die Irre zu führen.

Hier endet dann aber auch schon die Einigkeit. Denn darüber, wie genau eine Herkunftskennzeichnung in Österreich umgesetzt werden soll, scheiden sich nicht nur die Koalitionspartner, sondern auch die Landwirte und Nahrungsmittelproduzenten - wobei nicht einmal Landwirtschafts- und Wirtschaftsministerium auf einer Linie zu sein scheinen. "Während das Landwirtschaftsministerium die Kennzeichnung der primären Zutaten in verarbeiteten, verpackten Lebensmitteln einfordert, lehnt das Wirtschaftsministerium (und der Lebensmittelfachverband) diese derzeit ab. Wir stehen hier also nicht nur vor EU-rechtlichen Problemen, sondern haben sehr divergierende Anforderungen an unser Haus durch den Koalitionspartner", sagt Konsumentenschutz- und Gesundheitsminister Anschober, der für die Umsetzung der EU-Verordnung zuständig ist, auf Nachfrage der "Wiener Zeitung".

Transparente Botschaft

Doch alles der Reihe nach. Die EU-Primärzutatenverordnung schreibt vor, dass verarbeitete Lebensmittel nur dann mit einer bestimmten Herkunftsbotschaft werben dürfen, wenn klar und deutlich kommuniziert wird, wenn eine Primärzutat nicht aus diesem Land stammt beziehungsweise woher genau. Österreich will nun auf nationaler Ebene einen Schritt weiter gehen und die Herkunftskennzeichnung nicht nur an eine zum Werbezweck vermittelte Botschaft knüpfen, sondern verpflichtend einführen.

Anschober, der ursprünglich sogar für eine Herkunftskennzeichnung in der gesamten Gastronomie war, hat nun einen Verordnungsentwurf vorgelegt, dem zufolge die Herkunft der Primärzutaten Eier und Rindfleisch in der Gemeinschaftsverpflegung respektive Betriebsgastronomie gekennzeichnet sein muss. Dazu zählen etwa Spitäler, Fast-Food-Lokale oder Mensen. Auf die Herkunft der Zutaten könnte zum Beispiel auf einem Aushang bei der Essenausgabe hingewiesen werden. Mehr als die Hälfte des Fleisches wird in Österreich übrigens außer Haus konsumiert, und rund 70 Prozent der Gastronomie zählen zu dieser sogenannten Systemgastronomie.

Dem Landwirtschaftsministerium geht das jedoch nicht weit genug: Es fordert die generelle Herkunftskennzeichnung der Primärzutaten Milch, Fleisch und Eier in der Gemeinschaftsverpflegung (öffentlich und privat) sowie in verarbeiteten Lebensmitteln - also jenen, die in Österreich produziert wurden und in Supermarktregalen zu finden sind.

In dieser Form ist es auch im aktuellen Regierungsprogramm vorgesehen und formuliert. "Wir sind für eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung im Sinne des Regierungsprogramms", so Landwirtschaftsministerin Köstinger dazu.

Ganz so einfach dürfte die Umsetzung aber nicht sein. Landwirtschafts- und Gesundheitsministerium haben nämlich ein gemeinsames Rechtsgutachten von Europarechtsexperten Walter Obwexer in Auftrag gegeben, inwieweit eine rechtskonforme Umsetzung einer generell verpflichtenden Herkunftskennzeichnung möglich wäre. Der Rechtsrahmen ist demnach eng.

Eine Frage des Rechtsrahmens

Zu eng, so Anschober, um die Kennzeichnung der Herkunft weiterer Zutaten neben Eiern und Rindfleisch, geschweige denn in der gesamten Gastronomie verpflichtend vorzuschreiben. "Es wäre alles andere als intelligent, die Verordnung so zu formulieren, dass sie sofort von der EU gestoppt wird", sagt Anschober.

Das Landwirtschaftsministerium sieht das anders. "Eine Herkunftskennzeichnung von Milch, Eiern und Fleisch in der Gemeinschaftsverpflegung und in verarbeiteten Lebensmitteln wäre auch aus rechtlicher Sicht dennoch möglich", heißt es auf Nachfrage von diesem. Nämlich dann, wenn es einen kausalen Zusammenhang zwischen besonderer Qualität und Herkunft gäbe - und den es laut Landwirtschaftsministerium bei Rohstoffen aus dem eigenen Land auch gibt.

"Wieso soll Milch aus Österreich besser sein?", fragt indes Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin des Fachverbands der Lebensmittelindustrie der Wirtschaftskammer Österreich. "Rein objektiv ist das weder mess- noch nachweisbar." Koßdorff, die die rechtlichen Möglichkeiten für eine generell verpflichtende Herkunftskennzeichnung genauso wie das Wirtschaftsministerium sogar noch enger als das Gesundheitsministerium sieht und sich für gar keine nationale Verschärfung ausspricht, verweist auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes von Oktober des Vorjahres (EuGH, Rs. C-485/18-Lactalis): Demnach war es nicht legitim, dass Frankreich die verpflichtende Kennzeichnung heimischer Milch in verarbeiteten Lebensmitteln vorgeschrieben hatte - der französische Konzern Lactalis, eine der größten europäischen Molkereien, hatte geklagt.

"Gold-Plating" befürchtet

Koßdorff fürchtet vielmehr auch in Österreich "Gold-Plating" - das die Türkisen eigentlich stets angeprangert hatten. "Österreich wäre das einzige Land, das nach diesem EuGH-Urteil wagt, eine noch schärfere, verpflichtende Herkunftskennzeichnung vorzulegen. Dafür wird es sich in Brüssel wahrscheinlich kein gutes Zeugnis abholen."

Das insgeheime Ziel der Landwirte, das laut Koßdorff hinter all dem stecke - nämlich, sich durch eine nationale Herkunftskennzeichnung zu profilieren und daran zu verdienen -, sei nicht zu Ende gedacht. "Bei den verarbeiteten Lebensmitteln sind wir vom Export abhängig", sagt sie. Zwei von drei erzeugten Lebensmitteln gingen in den Export. Muss man künftig die Herkunft der Primärzutaten kennzeichnen, sei das angesichts der Dokumentation, Lagerung und Logistik aufwendig und teuer, was sich auf den Preis niederschlagen würde. Eine Wettbewerbsverzerrung wäre die Folge, "wenn allein Österreich in dieser Hinsicht etwas draufsetzt". Die Landwirte sägten somit am eigenen Ast, so Koßdorff.

Und auch die Konsumenten im eigenen Land könnten eher zum billigeren Schinken im Supermarktregal greifen - aus dem Ausland. "Das regelt ohnehin der Markt", meint dazu Christian Jochum von der Landwirtschaftskammer Österreich. "Wogegen wir etwas haben, ist, dass die Herkunft der Zutaten intransparent ist." Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Litauen und Finnland hätten ebenfalls nationale Herkunftskennzeichnungen zusätzlich zum EU-Recht. Kammerpräsident Josef Moosbrugger spricht sich genauso wie das Landwirtschaftsministerium für eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung von Milch, Eiern und Fleisch in der Systemgastronomie und im Handel aus. Ansonsten warte man auf das Jahr 2022, in dem eine weitere EU-Regelung zu zusätzlichen Vorgaben für eine EU-weite, verpflichtende Herkunftskennzeichnung für bestimmte Lebensmittel kommen soll.