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Grüne gegen Abschaffung der Wahrheitspflicht: "Groteske Idee"

Von Daniel Bischof

Politik

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka stellt Verzicht auf Wahrheitspflicht im U-Ausschuss zur Debatte. Opposition und Grüne lehnen das ab.


Er kann schweigen. Er kann lügen. Er kann aber auch die Wahrheit sagen. Einem Angeklagten steht es im Strafverfahren offen, ob er überhaupt aussagt und was er sagt. Für eine Auskunftsperson in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss gilt das nicht: Sie steht unter Wahrheitspflicht, falsche Aussagen können mit einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden.

An diesem System rüttelt nun Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der auch den Vorsitz im Ibiza-U-Ausschuss innehat. Auf "Puls 24" preschte er mit dem Vorschlag vor, die Wahrheitspflicht im Ausschuss abzuschaffen. "Bei uns hat jede Person, die Auskunftsperson ist, eine ungeheure Sorge, dort etwas Falsches zu sagen, weil sie dort unter Wahrheitspflicht steht. In Deutschland gibt es das nicht", sagte er. "Man kann sich da viele Dinge überlegen, wenn man einen Konsens findet."

"Wie ein Kaffeeplauscherl"

Nicht nur die Opposition lehnt Sobotkas Vorschlag ab. Von einer "grotesken Idee" sprach Nina Tomaselli, Fraktionsführerin der Grünen im Ibiza-U-Ausschuss, gegenüber der "Wiener Zeitung". "Ein U-Ausschuss ohne Wahrheitspflicht wäre wie ein gemütliches Kaffeeplauscherl."

Ein Sprecher Sobotkas erklärte den Vorstoß damit, dass sich Auskunftspersonen, gegen die ein Strafverfahren läuft, im Ausschuss "in Permanenz entschlagen können". Das unterbreche den Befragungsfluss und sei für die Klärung der politischen Verantwortung oft kontraproduktiv. Mit einer Änderung der Verfahrensordnung könnte man diese "Pattsituation" lösen.

Grüne und Opposition können diesem Argument nichts abgewinnen. Laut Christian Hafenecker (FPÖ) laufe der "wahnwitzige Vorschlag" darauf hinaus, "die Lüge in Untersuchungsausschüssen zu legalisieren". "Ungeheure Sorge" müssten nur Auskunftspersonen haben, die "wissentlich die Unwahrheit" sagen, meinte Stephanie Krisper (Neos). "Im Parlament die Wahrheit zu sagen, kann doch nicht zu viel verlangt sein", erklärte Jan Krainer (SPÖ).

Umsetzen lässt sich Sobotkas Idee nicht: Für eine Änderung der Verfahrensordnung, die Teil der Geschäftsordnung des Nationalrates ist, braucht es eine Zweidrittelmehrheit, erklärt der Verwaltungsrechtler Peter Bußjäger von der Universität Innsbruck. Bußjäger plädiert für eine Beibehaltung der Wahrheitspflicht. Anders als in gerichtlichen Verfahren gebe es im U-Ausschuss nun einmal keine Parteien wie Beschuldigte, Beklagte und Kläger: "Es gibt nur Zeugen." Dass sich diese der Aussage entschlagen, weil gegen sie ermittelt wird, könne vorkommen. Fraglich sei aber, was die Abschaffung der Wahrheitspflicht für Vorteile bringe: "Dann sind die Aussagen vielleicht noch weniger zu gebrauchen."

An anderer Front steht für den Ibiza-U-Ausschuss bald eine Entscheidung an. Der Verfassungsgerichtshof beginnt am Donnerstag mit den Beratungen bezüglich der Aktenlieferungen aus dem Bundeskanzleramt für den Ausschuss. Die Opposition hatte sich an das Höchstgericht gewandt: Sie will Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verpflichten, dem U-Ausschuss weitere Akten und Unterlagen vorzulegen. Die Parteien beklagen, kein einziges E-Mail und keinen einzigen Kalendereintrag des Kanzlers erhalten zu haben. Kurz hält fest, alle relevanten Akten geliefert zu haben.

Ob es sich bei Sobotkas Vorstoß nun um ein Ablenkungsmanöver von dieser Causa handle, wisse nur der Nationalratspräsident selbst, sagte Tomaselli. Allerdings sei man "Ablenkungsmanöver und Nebelgranaten" von der ÖVP im Ausschuss gewohnt.